Hilfe suchen und bekommen

Eine (unvollständige) Sammlung von Beratungsangeboten und Möglichkeiten, sich Hilfe zu suchen, habe ich in dem Beitrag 🡲 Sammlung von Beratungsangeboten und Hilfsmöglichkeiten aufgeführt.

Man liest immer wieder, dass man die jeweilige Problematik ernst nehmen soll und dass es wichtig ist, Unterstützung zu bekommen1. Entscheidend ist aber, ob die Person vor Ort, mit der man Kontakt hat, die Problematik ernst nimmt, meine Aussagen hinreichend reflektiert und entsprechend handelt. Von dieser Person (besser ihrer Art der Interaktion mit mir) ist man abhängig.

In bestimmten Lebenssituationen ist man nun mal (leider) auf die Unterstützung durch andere angewiesen. Außerdem erkennt man oft nicht, wie belastend die jeweilige Situation für einen selbst ist, man braucht dazu die Sicht „von außen“. Betroffene dürfen in diesen Situationen nicht auch noch um Hilfe kämpfen müssen. Sie haben in dieser Zeit nicht die Ressourcen um auch noch zu recherchieren und zu telefonieren usw.2. Als Betroffener muss man herausfinden, welche Personen einem helfen könnten, und wenn diese das nicht tun (können) muss man überlegen, an wen man sich dann noch wenden kann usw. Man kann in dieser Situation durchaus noch handeln. Nur sind die dafür benötigten Ressourcen in der Bewältigung und dem Aushalten der Krisensituation gebunden. Was von Außenstehenden oft nicht gesehen werden kann, ist eben, welche Leistung diejenige Person erbringt, obwohl sie eingeschränkt handlungs- und leistungsfähig ist.
Wenn man mit der kaum vorhandenen Energie dann keine Unterstützung findet, muss man außerdem die notwendige Stabilität mitbringen, um die Enttäuschung, dass man nichts erreicht hat, zu bewältigen. Anschließend muss man wieder Energie aufbringen, um nach neuen Möglichkeiten der Unterstützung zu suchen. Wenn man sich so immer wieder mit der Thematik beschäftigen muss, kann auch das belastend sein. Hinzu kommen noch die langen Wartezeiten auf eine entsprechende Therapie. Es muss zumindest eine Behandlung der akuten Probleme stattfinden3. Man brächte also eine zentrale Person, die diese Dinge koordiniert. Ich muss dieses Problem gewissermaßen „abgeben“ können. Ich beschäftige mich sowieso schon sehr viel mit der Problematik. Ich sollte mich aber darüber hinaus so wenig wie möglich damit beschäftigen müssen, um nach Lösungsmöglichkeiten und eben entsprechenden Fachleuten zu suchen. Es sollte auch alternative Angebote geben. Wenn mir eine Fachärztin, Hausärztin, Sozialpädagogin, … nicht weiterhelfen kann, muss es möglich sein, sich mit dem Problem an eine weitere Person zu wenden und dass dann ohne großen „Kampf“ oder ohne viel recherchieren zu müssen.

Vielleicht sollte man sich, wenn man sich entsprechend reflektiert hat, auch verdeutlichen, dass man in so einer Situation einfach nicht noch mehr leisten kann. Ansonsten setzt man sich nur unter Druck oder lässt sich von außen unter Druck setzen, was aber zu keiner Verbesserung der Situation führt. Außerdem können dann Schuldgefühle entstehen, dass man zu wenig tut, obwohl man Dinge erträgt und aktiv macht, die niemanden zuzumuten sind . Man kann nicht mehr leisten. In Extremsituationen können alltägliche Probleme dazu führen, „dass man zusammenbricht“. Es ist sicherlich falsch, das zu ignorieren und zu versuchen, weiter die Leistung erbringen zu wollen, die man eigentlich von sich erwartet. Das macht alles nur noch schlimmer. Es geht dann wohl akut vor allem darum, seine Ressourcen effektiver einzusetzen und Möglichkeiten zu finden, die eigene Leistungsfähigkeit zu verbessern. Zusätzlich muss man ja auch mit all dem seine Alltagsprobleme noch bewältigen.

Je zeitiger man außerdem in die Lösungsfindung kommt, um so leichter sind die Probleme lösbar. Je länger ich damit warte, um so komplexer wird die Problematik und umso schwerer ist sie beherrschbar.

Ein weiterer Punkt ist, dass man selbst die Schwere des Problems erst mal nicht erkennt. Dafür brauch man einen gewissen Abstand zu der Problematik4. Wenn einem nur bedingt bewusst ist, wie sehr man z.B. im Leben eingeschränkt ist oder was man mental in dieser Zeit ertragen muss, hilft das erstmal in der jeweiligen Situation. Aber für die Behandlung ist das natürlich problematisch.

Wie viele Betroffene bekommen aufgrund dieser Probleme zunächst einmal keine Hilfe? Wie viele Betroffene resignieren diesbezüglich irgendwann, versuchen ihre Probleme irgendwie zu ertragen und suchen nicht weiter nach Personen, die sie unterstützen könnten? Diesen Personen merkt man es ja nicht an, dass sie sich in so einer Lage befinden. Man sieht sie in diesem Sinne nicht. Ich denke, dass das durchaus schwerwiegende Konsequenzen für die Betroffenen haben kann. Ganz praktisch: wenn ich mich in einer solchen Krise befinde, welche Folgen kann es dann haben, wenn in dieser Zeit noch ein schwerwiegendes Problem hinzu kommt? Das ist ja reine „Glückssache“. Vielleicht dramatisiere ich zu sehr, aber nur mal so als Gedanke: wenn man die Selbstmorde und Selbstmordversuche in Deutschland untersuchen würde, wie viele von diesen Personen haben versucht, sich Hilfe zu holen und keine oder nur unzureichende Unterstützung bekommen?

2021 haben sich laut statistischen Bundesamt 9215 Menschen das Leben genommen.
Im Jahr 2021 starben in Deutschland laut statistischen Bundesamt insgesamt 9215 Personen durch Selbstmord. Jeder Punkt in der Grafik entspricht einer Person, die sich das Leben genommen hat.

Damit ist auch die Methode „Hilfe zur Selbsthilfe“ aus meiner Sicht in diesem Moment nicht angebracht. Ich kann nicht noch mehr leisten, als ich in diesem Moment sowieso schon leiste. Diese Methode kann man später anwenden.

Ich finde auch den Satz „Was kann ich für Sie / dich tun?“ nicht angemessen. Wenn man den Satz umdreht, heißt er ja in etwa „Sag mir, was ich tun soll.“. Ich weiß in diesem Moment nicht, welche Möglichkeiten der Bewältigung der Krise es gibt. Damit gibt es auch eine einfache Antwort auf diese Frage – dass einem jemand der die notwendigen Ressourcen zur Verfügung hat und die notwendige Distanz zu dem Problem hat, nach Möglichkeiten der Bewältigung der akuten Probleme hilft zu suchen.


„Suchen“ heißt nicht „finden“. Es geht darum, überhaupt erst einmal dem anderen das Gefühl zu geben, dass nach Lösungen gesucht wird. Das hilft schon sehr. Außerdem braucht man eine Perspektive, dass, das, was ich momentan erlebe, wieder besser wird. Oft bekommt man sofort Antworten auf das jeweilige Problem. Es muss bzw. kann aber oft nicht sofort eine Lösung gefunden werden. Komplexe Probleme5 lassen sich nicht sofort lösen. Man muss darüber nachdenken, recherchieren und ggf. sich mit anderen Personen darüber unterhalten. Es ist auch möglich, dass Lösungen nicht funktionieren und verändert oder angepasst werden müssen. Das ist in jedem Berufsalltag so. Es wäre hilfreicher, wenn man mindestens noch einmal Kontakt mit der jeweiligen Person hätte. Umgedreht sollte man, wie ich finde, so auch im Bekanntenkreis agieren, wie ich das 🡲 in diesem Beitrag beschrieben habe.

Oft sind die Gespräche bei einer Ärztin nur kurz. Einerseits hat die Ärztin oft wenig Zeit, andererseits ist es auch für den Patienten schwierig in Ruhe alle Punkte anzusprechen, die man sich vorher überlegt hat. Oft hat man als Patient eben das Gefühl, dass für die Gespräche nur wenig Zeit eingeplant ist. Aber auch bei Ärztinnen, bei denen man körperliche bzw. psychosomatische Probleme abklären lassen will, wäre es wichtig, alle möglichen Einflussfaktoren bezüglich der Symptomatik anzusprechen, und dazu gehören natürlich auch z.B. Belastungen im privaten Bereich.

Man hat im Laufe der Zeit mit den verschiedensten Personen Kontakt, mit denen man dann über ein Problem redet. Das was man in den wenigen Minuten dann ansprechen kann, ist aber nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus der Gesamtheit. Trotzdem kommt es vor, dass jemand sich nach wenigen Minuten Gespräch ein Urteil bildet und ggf. auch eine Diagnose stellt.

Es ist auch schwierig, abzuschätzen, in wie fern Einzelmeinungen hilfreich sind. Man lässt sich durch jede Aussage irgendwie beeinflussen. Eine Meinung, die meiner Ansicht widerspricht, kann mir ja auch hilfreich sein. Nur kann diese Aussage eben der Sache auch nicht dienlich sein. Auch wenn ich das erkenne, verunsichert mich das. In dem Fall wäre es wichtig, wenn man irgendeinen Rückhalt von anderen hätte und natürlich sich noch an andere Personen wenden könnte. Ausführlicher habe ich das in einem Artikel über die­ 🡺 Schwierigkeiten bei der eigenen Meinungsbildung beschrieben.

Wenn man es genauer betrachtet, möchte man eigentlich gar nicht, dass einem jemand bei allem, was man bisher getan hat, um die eigene Situation zu verbessern, zustimmt. Damit konnte man die Problematik vielleicht abmildern, aber eben nicht so sehr verbessern, dass man damit leben kann. Man möchte neue Impulse bekommen und wissen, was man besser hätte machen können. Deswegen hole ich mir ja Hilfe.

Im schlimmsten Fall kann es vielleicht auch vorkommen, dass es zunächst tatsächlich keine Möglichkeit gibt, eine Symptomatik zu verbessern, weil das Wissen fehlt. Aber auch dann kann man denjenigen unterstützen, so wie das bei anderen Beeinträchtigungen und Krankheitsbildern teilweise auch der Fall ist.

All diese Fachleute haben ihr Fachwissen und ihre Berufserfahrung. Außerdem haben sie die notwendige (emotionale) Distanz zu der Thematik, was, denke ich, wichtig ist. Allerdings hat man selbst auch eine Menge Wissen, die diese Personen nicht haben – man hat das was man erzählt erlebt. Gefühle z.B. kann man nun mal nur schwer beschreiben. Es stehen sich also dabei 2 Fachleute (Therapeut/in und ich) gegenüber, die gemeinsam ihr Wissen irgendwie konstruktiv vereinen müssen.6.

Psychologinnen können auch nur Impulse geben. In der jeweiligen Situation muss man dann darauf aufbauend selbst nach Lösungen suchen. Man kann nicht jede einzelne Empfindung oder jeden einzelnen Gedanken in der Therapie besprechen. Daran erinnert man sich gar nicht. Außerdem kann man auch die Dynamik, also was bei einer bestimmten Maßnahme in diesem Moment geschieht und welche Folge sie hat, erst im Nachhinein besprechen. In diesem Zusammenhang ist es dann hilfreich, wenn man sich mal mit der Thematik beschäftigt, wie kognitive Prozesse entstehen, durch was unsere Gedanken beeinflusst werden, und welche Denk- und Wahrnehmungsfehler man macht, so wie ich das im Artikel 🡺 Das Verständnis für unsere kognitiven Prozesse im Alltag beschrieben habe. Wenn ich diese Prozesse etwas verstanden habe, kann ich in einer belastenden Situation selbst besser nach Lösungen suchen.

Bei Problemen im beruflichen Alltag und auch im Privatleben muss man zunächst über das Problem nachdenken, eventuell mit Kollegen darüber sprechen oder sich auf andere Art weitere Informationen holen. Im ambulanten medizinischen Bereich scheint das anders zu sein. Dort bekomme man oft sofort eine Antwort, wenn man dort sein Problem schildert. Ich frage mich in dem Zusammenhang, in wie fern sich in den medizinischen, psychologischen und auch sozialen Berufen, die Ausbildung und die Methoden, Lösungen zu finden von anderen Berufen unterscheidet. Medizinische, psychologische und auch soziale Problemstellungen können ja ebenfalls komplex sein und außerdem wird die eigentliche Problemstellung oft noch von anderen Faktoren z.B. im Alltagsleben beeinflusst. Das ist überhaupt keine Bewertung, mir fehlt dazu das notwendige Wissen.

Ich lese in Selbsthilfegruppen einerseits immer wieder, dass die Leute keine Hilfsangebote finden. Darüber habe ich weiter oben schon geschrieben. Ich lese aber auch immer wieder, dass die Leute bemängeln, dass sie nur „Standardantworten“ bekommen. Die Frage ist, einerseits, wie viele das betrifft, also ob eine Mehrheit der Menschen zufrieden mit ihrer Behandlung ist, und das nur nicht kommuniziert, oder ob tatsächlich viele Personen diesbezüglich unzufrieden sind. Die zweite Frage, die sich dann stellt, liegt es an den Klienten, dass sie das besprochene aus welchen Gründen auch immer, nicht umsetzen wollen, oder liegt es an „ad hoc – Antworten“, also daran, dass die Lösungen für ein Problem von den Fachleuten spontan generiert werden?

Wenn man niemanden findet, ist es sicherlich der falsche Weg, die Symptome „einfach zu ertragen“. Man muss sich mit den Symptomen an andere Menschen wenden. Je mehr davon wissen, um so wahrscheinlicher ist es, dass man doch mal Kontakt zu einer Person bekommt, die konstruktiv etwas dazu sagen kann.

Kosten der Behandlungen

Wenn man den Notruf wählt und der Krankenwagen dann kommt, kostet das die Krankenkasse etwa 840 EUR7, hinzu kommen dann noch die Kosten für die Notaufnahme. Mit dem Geld könnte man Betroffenen sicherlich präventiv derart helfen, dass solch ein Anruf eventuell gar nicht erforderlich ist. Je effizienter eine Unterstützung ist, je schneller eine Besserung herbei geführt werden kann und je schneller Betroffene z.B. wieder arbeiten können, um so kostengünstiger ist die Behandlung natürlich insgesamt, auch und vor allem dann, wenn die Behandlung zunächst einmal intensiver durchgeführt werden würde, und damit eventuell mehr Geld kosten würde.

  1. Ich schreibe das hier auf den Seiten ja auch, aber das hilft erst mal niemanden
  2. Das klingt erst mal abstrakt, aber es geht u.a. auch darum, dass man, aufgrund des Stresses, gar nicht in der Lage ist, sich gedanklich mit etwas zu beschäftigen und es einem an Konzentrationsfähigkeit fehlt. Ganz einfach gesagt, wenn man überarbeitet ist, hat man Probleme zu denken. In Extremsituationen ist man außerdem mental nicht mehr belastbar. Das kennt jeder. Jeder war schon mal überarbeitet und weiß, was sich bei ihr/ihm dann alles verändert.
  3. Deswegen ins Krankenhaus zu gehen, ist aus verschiedenen Gründen auch oft keine angemessene Möglichkeit.
  4. Allerdings kann man auch rückwirkend das Problem relativieren, weil man weniger Erinnerungen daran hat und z.B. nicht mehr erlebt, was man in dieser Zeit empfunden hat.
  5. Damit meine ich nicht nur gesundheitliche Probleme, sondern auch andere damit zusammenhängende Fragestellungen, z.B. im sozialen Bereich.
  6. In diesem Sinne hat man es als Client sogar einfacher, die Problematik zu verstehen. Ich kann verstehen, was der/die Therapeut/in sagt. Umgedreht kann ich eben nur sehr schwer meine Gefühle erklären, siehe 🡺 Gefühle beschreiben.
  7. Das stimmt nicht ganz, man muss 10 EUR zuzahlen…

One Reply to “Hilfe suchen und bekommen”

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