Wie wir denken, fühlen und unsere Umwelt und unseren Körper wahrnehmen

In diesem Artikel soll kurz erklärt werden, wie sich unsere kognitiven Fähigkeiten und unsere Wahrnehmung entwickelt haben und wie diese Gedanken und Wahrnehmungen entstehen. Daraus soll dann abgeleitet werden, wie man dieses Wissen im Alltag nutzen kann.

Die wichtigsten Erkenntnisse über unsere kognitiven Funktionen

Diese Erkenntnisse, wie unsere Denkweise und Wahrnehmung funktioniert, resultieren zum großen Teil aus den Erkenntnissen der (biologischen) Evolution, der Anthropologie (soziale Entwicklung des Menschen), dem Verständnis für kognitive Prozesse auf neuronaler Ebene und der Psychologie.

Wobei man die einzelnen Problemstellungen eigentlich erst richtig versteht, wenn man die einzelnen Disziplinen miteinander kombiniert. Ich kann z.B. eine Denkweise durch kognitive Prozesse erklären. Diese kognitiven Prozesse haben sich aber durch evolutionäre Prozesse entwickelt. Kombiniere ich also die kognitive Erklärung mit den dazugehörigen evolutorischen Prozessen, ergibt sich ein viel verständlicheres Gesamtbild. Leider werden verschiedenen Denkweisen oft nur innerhalb eines Fachgebietes erklärt.

Es gibt auch noch weitere Einflussfaktoren auf unsere Denkweise. Einige Disziplinen sind vor allem dann wichtig, wenn ich verstehen möchte, welche Erkenntnisse ich überhaupt über meine Umwelt gewinnen kann.

Das Puzzle1 habe ich im Artikel 🡲 Bedienungsanleitung für’s Denken erklärt.

Unsere kognitiven Fähigkeiten haben sich durch evolutionäre Prozesse entwickelt. Diese evolutionären Prozesse betreffen vor allem die biologische Entwicklung des Körpers (und des Gehirns), soziale und kulturelle Prozesse 2. Unser Gehirn hat also eine gewissen Leistungsfähigkeit aufgrund seines biologischen Aufbaus, die Entwicklung unserer kognitiven Fähigkeiten wurde und wird aber auch durch die soziale und kulturelle Evolution beeinflusst. Diese 3 Faktoren beeinflussen sich gegenseitig.

Evolution3 spielt in der Betrachtung eine wichtige Rolle, weil wir uns nun mal nach den evolutorischen Prinzipien vom Einzeller zu einem Mehrzeller mit einem Organ, das kognitive Fähigkeiten hervorbringen kann, entwickelt haben.

Stell dir vor, du bist ein Gehirn.4Dann befindest du dich in einem „Kasten“, aus dem heraus du nichts von deiner Außenwelt wahrnehmen kannst. Du weißt nichts über deine Umwelt, sondern bist auf die Reize, die durch Sinnesorgane und die inneren Organe an dich weitergegeben werden, angewiesen (Interozeption)5. Ein Geräusch kann eine angenehme oder unbedeutende Ursache haben, es kann aber auch eine Ursache haben, die für den Körper gefährlich ist. Du als Gehirn musst dieses Geräusch entsprechend bewerten. Das machst du, in dem du das Geräusch aufgrund von früheren Erfahrungen und anderen Wahrnehmungen bewertest und Voraussagen triffst, was als nächstes geschehen wird und wie du und der Körper darauf reagieren soll. Diese Simulation gleichst du dann mit dem Reiz ab. Die Voraussage muss außerdem möglichst schnell erfolgen. Das ist eines der Grundprinzipien, wie wir denken, fühlen und de Umwelt und unseren Körper wahrnehmen.
Ein Gedanke, der sich daraus ergibt ist, dass man, wenn man seine Gedanken, Wahrnehmung oder seine Gefühle beeinflussen möchte, man dieses Gehirn dabei unterstützen kann, „bessere“ Voraussagen zu treffen. Das Gehirn will das gleiche wie ich – leben und überleben. (Diese etwas seltsame Formulierung „ich und mein Gehirn“ resultiert daraus, dass wir die Fähigkeit entwickelt haben, über uns nachzudenken, man kann Selbstreflexion vielleicht als Nebenprodukt der Weiterentwicklung unserer kognitiven Fähigkeiten betrachten.)

Wir, oder besser unser Gehirn, erzeugt sich damit seine eigene Wirklichkeit, die nur bedingt das abbildet, was “da draußen”, also außerhalb unseres Gehirns, stattfindet. Wir haben ein Modell der Umwelt im Kopf, und wenn Sinneseindrücke von außen dem widersprechen, wird dieses Bild nicht sofort korrigiert, sondern, sehr vereinfacht gesagt, oft erst einmal beibehalten6. Dieses Bild wird, wenn überhaupt, erst dann korrigiert, wenn den Sinneseindrücken eine entsprechend große Bedeutung beigemessenen wird. Welches Bild wir uns von unserer Umwelt machen, ist dann noch abhängig von anderen Faktoren, z.B. dem Kontext in dem wir die Umgebung oder ein Ereignis wahrnehmen7.

Unser Gehirn sagt also ständig Ereignisse voraus, ohne dass wir es merken. Diese Voraussagen müssen nicht mit dem, was tatsächlich geschieht, übereinstimmen. Grundlage für diese Voraussagen sind nicht die aktuellen Ereignisse, sonder unser Modell von der Umwelt. Dieses Modell ist aber in der Vergangenheit entstanden.

Aus evolutionärer Sicht ist es wichtig, dass wir in einer stabilen Umwelt leben, in der wir eben Voraussagen treffen können und Ereignisse erklären können.
Überspitzt formuliert, funktioniert unsere Denkweise in einer chaotischen Welt nicht richtig (das können z.B. bedeutendere Probleme mit anderen Menschen sein). Wenn ich etwas nicht erklären kann, kann das zu Verlust der Kontrolle über ein Ereignis führen, was ich unbedingt vermeiden möchte.

Bei dem Bild, was wir von unserer Umwelt im Kopf haben, geht es nicht vorrangig darum, dass es gut mit den Eigenschaften der Umwelt übereinstimmt. Das Bild muss die Umwelt so gut wiedergeben, dass wir in dieser Umwelt überleben können und uns fortpflanzen können und dass wir uns in dieser Umwelt wohlfühlen. Dazu gehört auch, dass wir lieber einmal falsche Entscheidungen treffen, wenn diese in der Mehrheit dazu führen, dass wir überleben8.

Evolutionäre Entwicklung fördert also nicht, dass wir unsere Umwelt möglichst realistisch wahrnehmen und realistische Erklärungen finden.

Wir nehmen bewusst und auch unbewusst nur einen sehr kleinen Teil der Informationen von außen war. Wir können so viele Informationen gar nicht aufnehmen, verarbeiten und uns merken. Aus diesen wenigen Informationen müssen wir uns dann ein Bild von unserer Umwelt erstellen. Dazu gehört u.a. auch, dass wir Muster erzeugen müssen. Diese Musterbildung kann aber auch falsch sein, z.B. wenn wir Gesichter in irgendwelchen Gegenständen sehen oder wenn mir Zusammenhänge erkenne, die tatsächlich gar nicht existieren. Wir ordnen außerdem Ereignisse in Kategorien und neigen dazu Zusammenhänge zu vereinfachen. Wie bereits beschrieben, das Bild, dass wir uns durch diese Reize erzeugen, ist auch stark von dem Bild abhängig, was wir uns in der Vergangenheit gebildet haben. Daraus resultiert auch, dass unsere Erinnerungen fehlerbehaftet sind.

Die Verarbeitung von Ereignissen braucht Zeit und Energie, die nur begrenzt zur Verfügung steht. Wir müssen uns also oft in einer kurzen Zeit und mit begrenzten Informationen ein Urteil bilden. Wir können etwas nicht ständig hinterfragen und nach weiteren Faktoren, die für oder gegen die eigene Meinung sprechen, beschäftigen. Irgendwann muss ich mir eine Meinung gebildet habe, und die ändere ich dann auch erst einmal nicht mehr. Auch das hat zur Konsequenz, dass ich Denkfehler mache.

Es gibt mittlerweile den Ansatz Gefühle als „kognitive Deutung einer Situation“, in der wir uns befinden zu erklären. Was ich fühle, ist dabei abhängig von Konzepten, also Erfahrungen, die ich bereits gemacht habe9. Ich erzeuge mir also eine Emotion und darauf habe ich Einfluss. Emotionen sind damit unabhängig von Ereignissen und sind nicht universell.

Ein sehr kurzer, unvollständiger Ausflug zu den Ursprüngen der kognitiven Fähigkeiten10:

  • Unsere Fähigkeit uns Dinge vorzustellen, hat sich daraus entwickelt, dass wir so Lösungsmöglichkeiten probieren konnten, ohne zu handeln. Dadurch kann Energie gespart werden (Nahrungsbeschaffung) und ich setze mich nicht einer möglichen Gefahr aus, wenn ich etwas nur simuliere. Dadurch sind wir heute in der Lage Zusammenhänge zu erfassen.
  • Wir haben gelernt, Objekte zu identifizieren, obwohl deren Gestalt aufgrund von unterschiedlichen Beleuchtungen, Entfernungen und Perspektiven sich unterscheidet. Diese Gestaltwahrnehmung11 war die Vorstufe der Abstraktion. Gegenstände können so wiedererkannt werden.
  • Aus der Entwicklung von Neugier entstand die Fähigkeit, sich selbst zu erkennen und daraus hat sich dann Selbstbewusstsein entwickelt. Ein Tier muss außerdem fähig sein, z.B. seine eigene Hand seinem Körper zuzuordnen um damit einen Gegenstand (z.B. Ast) greifen zu können. Auch das führt dann zu einem Bewusstsein für den eigenen Körper.

Kurz zusammengefasst: wir denken so und nehmen die Umwelt so wahr, dass wir in ihr überleben können, uns fortpflanzen können und uns wohlfühlen können. Unser Erkenntnisvermögen muss nur hinreichend realistisch sein, um das zu gewährleisten, mehr aber auch nicht.

Das alles ist sehr verkürzt dargestellt. Um die Thematik besser zu verstehen, muss man einfach mal einige Bücher und Artikel dazu lesen12. Erst wenn man die Zusammenhänge versteht, kann man daraus auch (für sich) praktische Schlussfolgerungen ableiten, an die man dann auch “glaubt”.

Einige Quellen habe ich weiter 🡲 unten aufgelistet.

Überprüfbarkeit der Aussagen

In einem ersten Schritt kann man sich selbst beobachten und erkennt dann, dass man im Alltag immer wieder Denk- und Wahrnehmungsfehler macht. Im einfachsten Fall kann man Wahrnehmungsfehler vielleicht bei optischen Täuschungen erkennen. Aber auch sonst im Alltag gibt es immer wieder Situationen, in denen man eigene Denk- und Wahrnehmungsfehler erkennen kann. Wir stoßen an einen Gegenstand (wir haben ein falsches Bild der Umgebung im Kopf), wir sehen in Verhaltensweisen von Menschen Muster, die es gar nicht gibt, wir erschrecken vor etwas ganz harmlosen, wir haben Erklärungen für Ereignisse, die sich als falsch herausstellen, wir sehen Dinge, die gar nicht da sind (das muss keine krankhafte Wahrnehmung sein), usw. Außerdem kann man natürlich beobachten, wie man selbst denkt und was man wahrnimmt, und kann versuchen, das in die Aussagen, die zu diesem Thema gemacht werden, einzuordnen.

Solche Erkenntnisse müssen sich aber auch objektiv überprüfen lassen. Die Erkenntnisse basieren auf Studien, die man sich, teilweise kostenlos, auch selbst im Internet durchlesen kann.

In einem dritten Schritt kann man die Aussagen dann auch noch durch Überlegungen darüber überprüfen, wie wir überhaupt unsere Umwelt verstehen können. Das ist dann Gegenstand der Erkenntnistheorie. Ich habe darüber hier einige Artikel geschrieben, unter anderem den übergeordneten Artikel ­🡺 Bedienungsanleitung für’s Denken. Wenn ich mich mit z.B. physikalischen Prozessen und Theorien beschäftige, erkenne ich u.a. dass die Umwelt, die wir täglich erleben, nur ein sehr kleiner Teil der gesamten Umwelt ist. In dieser Umwelt funktioniert unsere Denkweise in einer Art und Weise, dass wir uns in ihr zurechtfinden können. Außerhalb dieser Umwelt versagt unsere Intuition und man kann selbst unsere Sprache teilweise nicht mehr gut verwenden, wenn ich an die Quantenmechanik denke13. Die Aussagen, die sich aus der Annäherung „von außen“ ergeben, sind aus meiner Sicht die gleichen Aussagen wie die, die aus dem Verständnis über unsere kognitiven, evolutorischen, anthropologischen und psychologischen Prozessen, resultieren.

Ich persönlich habe jetzt alle möglichen Ereignisse und Denkweisen im Alltag und Erlebnisse aus meiner Vergangenheit versucht, in dieses Puzzle aus den verschiedenen Disziplinen einzuordnen. Ich war überrascht, dass ich eigentlich alles davon mit diesen Puzzleteilen erklären konnte und praktische Schlussfolgerungen daraus ziehen konnte.

Auswirkungen im Alltag

Die Aussagen im ersten Teil sind Aussagen von Fachleuten. Wenn da etwas “falsches” steht, sind deren Aussagen falsch, ich kann dafür nichts :-). Das was ich jetzt schreibe, sind meine persönlichen Schlussfolgerungen aus diesen Aussagen, und die können auch fehlerhaft sein. Ich hab also dann etwas falsch verstanden, mich zu oberflächlich mit dem Thema beschäftigt oder falsche Schlussfolgerungen gezogen. Dafür kann ich dann etwas :-).

Allgemeines Verständnis für die eigene Denkweise

  • Dass ich Einfluss auf meine Gedanken, meine Gefühle und mein Verhalten habe, ist psychologisches Grundwissen. Ich muss aber natürlich auch selbst erfahren, dass diese Aussagen stimmen. Das Verständnis der Thematik hilft mir, selbst nach (individuellen) Methoden zu suchen, um diese Erfahrungen zu machen.
  • Unsere Wahrnehmung und Denkweise ist fehlerbehaftet. Wir können aber über unsere Wahrnehmung und Denkweise nachdenken. Wenn ich die Mechanismen kenne, wie unsere kognitiven Fähigkeiten funktionieren, mich selbst beobachte und dann auch bereit bin, Denkweisen zu verändern, kann ich so Fehler in der Denkweise und Wahrnehmung reduzieren und selbstbestimmter leben14. Um mich wohl zu fühlen, reicht es allerdings auch aus, dass ich nur denke, dass ich selbstbestimmt handeln kann, obwohl das teilweise gar nicht der Fall ist.
  • Ganz allgemein kann ich lernen, wie ich mit einem Werkzeug eine Aufgabe erledige. Ich kann aber auch die Funktionsweise des Werkzeuges erlernen und kann dann mit diesem Werkzeug alle mögliche Aufgaben erledigen. „Denken“ ist letztlich auch nichts anderes als ein Werkzeug, dass uns leben und überleben lässt (aber ich kann mit einem Werkzeug natürlich Dinge auch kaputt machen) .Ich kann z.B. lernen wie ich es schaffe, dass mich das Verhalten von anderen Menschen weniger belastet. Ich kann aber auch lernen, wie unsere Denkweise funktioniert, warum ich z.B. zwangsläufig immer wieder Denk- und Wahrnehmungsfehler mache und welche Funktionen Emotionen haben. Dieses Wissen hilft mir dann nicht nur für ein spezielles Problem, sondern ich kann dieses Wissen dann in den verschiedensten Situationen selbstständig anwenden. Außerdem habe ich damit das notwendige Wissen, um auf ein Problem Einfluss zu nehmen, während ich mich damit beschäftige und bin so flexibler um nach Lösungen zu suchen. Wenn ich mich mit jemanden im Nachhinein darüber unterhalte, weiß ich gar nicht mehr alles, was ich erlebt habe, ich kann nur noch bedingt nachvollziehen, was ich gefühlt habe und bestimmte Erlebnisse lassen sich auch nicht in Worte fassen.
    Das hat dann auch zur Folge, dass ich unabhängiger davon werde, ob andere Personen mich unterstützen. Diese Unabhängigkeit muss ich mir leisten können. Ich kann sie mir nicht leisten, wenn ich einem schwerwiegenden Problem hilflos ausgeliefert bin. Sich Hilfe zu suchen ist wichtig. Wenn ich mir aber in einem gewissen Maße selbst helfen kann, verringert dass die Abhängigkeit davon, ob eine andere Personen z.B. meine Problematik richtig einschätzt.
  • Dadurch, dass ich mich mit der Materie beschäftige, entstehen (zumindest bei mir) Bilder im Kopf, die ich dann in bestimmten Situationen abrufen kann und mir etwas vorstellen kann, was mir in der Situation hilft15.
  • Das schlimmste, was einem passieren kann, ist, das man etwas Belastenden hilflos ausgeliefert ist. Das Beschäftigen mit der Thematik kann eine Möglichkeit sein, dem etwas entgegenzusetzen. Etwas überspitzt ausgedrückt, ist nicht ein Problem das Problem. Das Problem ist dann ein Problem, wenn man es nicht lösen kann.
  • Wir denken immer wieder über alle möglichen belastenden Dinge nach. Mit diesem Wissen kann man dem entgegenwirken und bestenfalls wird dann aus „grübeln“ konstruktives Nachdenken.
  • Auf das, was wir denken und fühlen, haben wir nur bedingt Einfluss, hinzu kommen dann eben auch noch Denk- und Wahrnehmungsfehler. Es ist also wenig zielführend, sich für seine Gedanken zu verurteilen und über sich zu ärgern. Entscheidend ist, dass ich meine Gedanken und mein Verhalten reflektieren kann und so auch Einfluss darauf nehmen kann.
  • Aus der Art und Weise wie wir denken und fühlen, folgt natürlich auch, dass es mir nicht unangenehm sein muss, wenn ich bestimmte Gefühle empfinde. Gefühle haben eine Funktion. Wut (und auch Hass) z.B. haben eine bestimmte Funktion16. Wenn ich verstehe, warum diese Gefühle entstehen, kann ich entsprechend Einfluss darauf nehmen, wenn das überhaupt notwendig ist. Ich kann Gedanken und Gefühle auch einfach mal zulassen.
  • Das Modell, dass wir von unserer Umwelt wahrnehmen, ändert sich zeitlich. Auf dieses Modell haben viele Faktoren einen Einfluss. Aus diesem Modell resultiert dann wiederum eine bestimmte Denkweise und entsprechende Handlungen (bzw, sind sie Teil dieses Modells). Es ist also auch hier wieder wenig zielführend, wenn ich mich für meine Denk- und Handlungsweise von gestern verurteile. ich kann beides reflektieren und wenn notwendig, kann ich meine Denk- und Handlungsweise verändern. Ich sollte mich z.B. nicht dafür verurteilen, dass ich vor ein paar Stunden aus jetziger Sicht etwas „falsches“ gesagt habe.
  • Wenn man etwas verändern will, ist es sicherlich falsch, eigene Denk- und Verhaltensweisen zu leugnen, nur weil man eben “so nicht denken sollte”. Wie wir unsere Umwelt wahrnehmen, unsere Denkweisen und das daraus resultierende Verhalten ist zu einem großen Teil unbewusst, uns muss das nicht unangenehm sein. Entscheidend ist aber wie gesagt, dass wir mit dem Wissen um die Mechanismen wie kognitive Fähigkeiten entstehen, darauf Einfluss nehmen können.
  • Wie frei wir in unseren Entscheidungen überhaupt sind, darüber gibt bisher wenige belastbare Erkenntnisse. Meine Gedanken dazu habe ich in einem 🡲 anderen Artikel mal zusammengefasst.
  • Mit dem Wissen kann ich bei mir leichter Denkfehler entdecken und korrigieren. Ich kann also so Einfluss auf Denkweisen nehmen, die mich belasten.
  • Durch das Verständnis warum ich so denke (und handle) wie ich denke, kann ich auch Vorkommnisse in der eigenen Vergangenheit erklären. Dabei kann es dann um so wichtige Dinge wie die eigene Identität gehen. Ich verstehe besser, warum ich mich im Laufe der Zeit so entwickelt habe, dass ich der / die geworden bin, der/die ich heute bin.
  • Die Aussagen die die Anthropologie macht, helfen z.B. ein Verständnis dafür zu entwickeln, welche Bedeutung die Kindheit für die spätere Entwicklung hat. Je größer so ein Gehirn ist, um so länger muss die Fürsorge für ein Kind andauern17. Wie man als Kind und Jugendlicher behandelt wurde, ist damit wichtiger, als das einem selbst vielleicht bewusst ist.
  • Die eigene Meinung ständig zu hinterfragen ist wenig zielführend. Mann muss irgendwann zu einem Ergebnis (Meinung) gelangen und sich festlegen. Wenn ich an einer Methode ständig zweifle, ob sie mir hilft, führe ich sie nicht richtig durch. Das schließt nicht aus, dass ich zu bestimmten Zeitpunkten reflektiere, in wie fern ich mit der Methode eine Verbesserung herbeiführen konnte. Man kann rationales Denken nur bedingt im sozialen Kontext anwenden. Ich kenne aber eben die Mechanismen, wie und warum ich so denke und handle. Dadurch kann ich trotzdem Einfluss darauf nehmen.
  • Mit dem Wissen lassen sich (zwangsläufig) auch alle 🡲 kognitiven Verzerrungen erklären, denn diese haben ja ihre Ursache in Fehlern die wir beim Denken und Wahrnehmen machen.
  • Ich kann mir mit dem Wissen Methoden überlegen, um mich “auszutricksen”, damit ich etwas, was mir schwerfällt, doch mache.
  • Wir haben alle unser eigenes Bild von unserer Umwelt im Kopf. Daraus folgt, dass unsere Denkweisen nicht absolut sind. Das wiederum bedeutet, dass wir es schaffen können, ganz neue Denkweisen zu entwickeln und damit können wir auch unsere Lebensweise entsprechend verändern, auch wenn das für uns jetzt noch unvorstellbar ist. Anders ausgedrückt, wir leben alle in unserer eigenen Welt und können in kleinen Schritten diese Welt verändern. Was jetzt noch unnormal und nicht vorstellbar ist, wird dann ganz normal.
  • Es gibt auch keine absoluten Erkenntnisse. Unsere Sprache suggeriert das aber, weil die entsprechenden Ausdrücke eine absolute Bedeutung haben. Die eigene Meinung ist aber immer mit Unsicherheiten verbunden und Aussagen sind nur Hypothesen.
  • Eine dynamische Lebensweise erfordert auch eine entsprechend dynamische Art zu denken, zu fühlen und etwas wahrzunehmen18, was eben einige Zeit dauert. Im Prinzip folgt daraus, dass ich über meine Denkweise mein ganzes Leben lang nachdenken sollte und dass vielleicht diese Dynamik auch gewisse Grenzen haben sollte. Vielleicht haben auch positive Veränderungen Nachteile, wenn sie zu schnell erfolgen und ich auf meine kognitiven Fähigkeiten keinen Einfluss nehmen kann oder möchte.

Dieses ganze hier beschriebene Wissen ist damit ein weiteres Werkzeug, dass mir zur Verfügung steht, um ganz allgemein aktiv etwas für mein Wohlbefinden zu tun. Ich kann es benutzen, wenn es sich anbietet und ich kann mir mit den Methoden andere Möglichkeiten (Werkzeuge) erschließen, um etwas zu verbessern.

Mit dem hier (unvollständig) dargestellten Mechanismen lebt es sich doch deutlich entspannter :-).

Persönliche Belastungen

  • Auch die eigenen belastenden Gedanken können natürlich falsch sein. Unser Modell von einem Ereignis ist oft fehlerhaft, wir machen falsche Voraussagen, wir sehen irgendwo Muster, wo keine Muster sind, wir interpretieren Wahrnehmungen eher so, dass sie unsere Meinung bestätigen, wir unterstellen irgendeine Absicht, oder sehen Zusammenhänge, die nicht existieren. Das sollte ich mir bewusst machen, denn mit diesem Wissen erkenne ich, dass diese Gedanken weniger bedrohlich sind.
    Wenn ich außerdem eine Situation nicht richtig einschätzen kann und mich meine Gedanken diesbezüglich belasten, kann ich das Modell, dass ich mir von der Situation erzeuge, aber auch gleich durch ein anderes Modell ersetzen, was mir hilfreicher ist und mir z.B. weniger Angst macht. Um Stress zu reduzieren, kann ich mir dann auch ein Bild von meiner Umwelt erzeugen, dass den Stress vermindert. Diese Art der Imagination sind letztlich gängige Methoden in der Psychologie oder beim Sport, die schon lange erfolgreich angewendet werden19.
  • Im Prinzip ist unsere aktuelle Denkweise oft veraltet. Unsere Denkweise, unsere Gefühle und auch unserer Wahrnehmungen werden stark von unseren Erfahrungen in der Vergangenheit beeinflusst20. Ich muss also das was ich gerade aufgrund irgendeiner Wahrnehmung denke oder wahrnehme, nicht unbedingt glauben. Der Zusammenhang, dass Wahrnehmungen im Prinzip Voraussagen sind, ist für mich bei psychosomatischen Beschwerden und den damit verbundenen Ängsten ein sehr wichtiger geworden.
  • Ich merke mittlerweile auch, dass ich das alles, was „da oben im Kopf“ so vor sich geht, spielerischer sehe, auch dann, wenn die Gedanken sehr belastend sind. Man kann ja das, was man aus den Mechanismen ableiten kann, einfach mal ausprobieren. Die Auswahl der „Werkzeuge“, um etwas zu verbessern, ist ja groß.
  • Statt gegen die eigene Denkweise zu kämpfen, ist es zielführender die Ursache dafür zu suchen und auf Basis des Wissens über die Mechanismen im Gehirn, die eigene Denkweise zu verändern.
  • Ich kann auch direkt Einfluss auf meine Gefühle nehmen. Genauso wenig wie Gedanken absolut sind, sind es Gefühle auch nicht. Gefühle sind Indikator für etwas. Das muss ich herausfinden und entsprechend handeln. Ich bin aber diesem Gefühl in einer bestimmten Situation nicht hilflos ausgeliefert, ich kann es gedanklich beeinflussen 21.
  • Aus dem Gedanken dass Gefühle und Wahrnehmungen abhängig von Konzepten sind, also Erfahrungen, die ich bereits gemacht habe und unabhängig von einem Ereignis, folgt, dass ich lernen kann, körperliche Empfindungen oder Wahrnehmungen von außen anders zu interpretieren. Gefühle entstehen außerdem meistens durch eine Kombination von solchen Ereignissen. Ich kann somit auf ein Gefühl oder eine Wahrnehmung auch Einfluss nehmen, in dem ich diese anderen Reize erkenne und auch deren Bewertung verändere oder den Reiz selbst verändere. Wenn mir eine Situation Angst macht, dann ist dies wahrscheinlich eine Kombination aus verschiedenen Wahrnehmungen (nicht nur der eigentliche visuelle Reiz, sondern vielleicht auch ein Geruch oder Reize vor dem eigentlichen Ereignis). Bei körperlichen Empfindungen, ist es ähnlich. Ein flaues Gefühl im Bauch kann Prüfungsangst, Hunger, Verliebtsein u.a. bedeuten, ja nach Kontext (die dazugehörigen Empfindungen sind außerdem individuell verschieden). Ich kann diese Empfindungen aber auch dem falschen Kontext (Konzept) zuordnen.
  • Ich erzeuge mir also eine Emotion und darauf habe ich Einfluss. Emotionen sind damit unabhängig von Ereignissen und sind nicht universell.
  • Wenn ich weiß, wie kognitive Prozesse und Handlungen entstehen, kann ich besser nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, um Probleme zu bewältigen
  • Wir leben in unserer eigenen Welt, haben unser eigenes Bild von unserer Umwelt im Kopf und für uns sind unterschiedliche Dinge „normal“ oder nicht “normal”. Wenn ich mich in einer belastenden Situation befinde, möchte ich das einerseits ändern, andererseits fällt mir das aber auch schwer. Auch in dieser belastenden Situation erfahren ich teilweise Stabilität, und auch in dieser Situation herrscht Ordnung. Das gute ist, aus dem Wissen wie unser Denken funktioniert, können wir Methoden ableiten, um die belastende, uns Sicherheit gebende Situation zu verlassen, und so in eine Umgebung (im weiteren Sinn) gelangen, die weniger belastend für uns ist, bisher für uns aber “nicht normal” ist. 22
  • Wir sind darin richtig gut, für etwas Erklärungen zu finden oder Muster zu erkennen. Dabei „übertreiben“ wir es aber oft unbewusst. Aus meiner Erfahrung heraus, wird das um so stärker, je wichtiger irgendwelche Ereignisse für einen sind. Erklärungen und Muster finde ich nur, wenn ich „hinsehe“. Also macht es durchaus Sinn, eben nicht hinzusehen, und zu vermeiden, dass ich solche Erklärungen oder Muster überhaupt erkennen kann. Konkret bedeutet das also, dass es oft besser ist, den Körper oder Ereignisse weniger zu beobachten und sich nur die Informationen über etwas zu beschaffen, die wirklich wichtig sind.
  • Das ganze psychologische Fachwissen muss ja zwangsläufig auf den genannten Mechanismen beruhen (es gibt natürlich auch noch mehr davon). Mir persönlich hilft es mehr, wenn ich verstehe, warum eine Methode eine Verbesserung bringen soll und sie nicht einfach nur anwende, weil es einem eben geraten wird. Wenn mir z.B. gesagt wird, dass etwas, was ich denke, auch falsch sein kann und ich dem keine Bedeutung geben soll, ist das eine sehr abstrakte Aussage. Wenn ich weiß, dass wir uns ein Modell unserer Umwelt (und des Körpers) erzeugen, wie dieses Modell erzeugt wird und dass aus verschiedenen Gründen dieses Modell auch (teilweise) falsch sein kann, ist das konkreter. Das führt dann dazu, dass es in dem Fall für mich einfach wird, meine Denkweise auch tatsächlich zu hinterfragen.

Ängste und psychosomatische Beschwerden

Wenn man Ängste hat, wenn man unter psychosomatischen Beschwerden leidet, und ich denke auch bei anderen psychischen oder psychiatrischen Beschwerden, hilft es natürlich sehr, ein Verständnis für die Mechanismen dafür zu entwickeln, wie unser Gehirn Gedanken und Gefühle erzeugt und wie fehlerhaft unsere Wahrnehmungen und unsere Denkweisen sind. Es ist nicht nur wichtig, das zu wissen, sondern die Mechanismen so zu verstehen, dass man es wirklich auch glaubt, dass nicht alles, was ich denke oder wahrnehme „real“ ist. Wenn ich, wie bereits beschrieben, im Alltag immer wieder solche Denk- und Wahrnehmungsfehler bei unbedeutenderen Ereignissen bemerke, glaube ich auch bei bedeutenderen Ereignissen oder Symptomen daran, dass meine Denkweise falsch ist.

Aus den Kenntnissen über unsere kognitiven Funktionen, kann man sehr viele (individuelle) Möglichkeiten ableiten, sich zu helfen. Daraus lässt sich auch ableiten, dass unser Körper sehr gut seine Funktionen aufrecht erhalten kann (wenn keine körperliche Erkrankung vorliegt), auch wenn einem Empfindungen und Gedanken etwas anderes suggerieren(🡵 Embodiment, 🡵 Homöostase). Dieses Wissen kann einem helfen, mit den entsprechenden Empfindungen besser umzugehen.

Persönlich habe ich bei der Atemnot die Erfahrung gemacht, dass dieses Wissen und die daraus abgeleiteten Methoden die Symptomatik tatsächlich auch verbessern kann. Zunächst hatte ich mir das Wissen angeeignet und meine Erlebnisse in diese Mechanismen eingeordnet. Daraus haben sich dann Verbesserungsmöglichkeiten ergeben, die ich bewusst angewendet habe. Diese bewussten Veränderungen in der Denkweise, in der Wahrnehmung und meinem Verhalten, hatten dann wohl auch unbewusste Auswirkungen, so dass ich die Atemnot nach etwa 2 Monaten als weniger belastend wahrnehme und mehr Möglichkeiten habe, mein Befinden zu verbessern, auch wenn der Prozess sicherlich noch einige Zeit andauern wird. Es gibt auch weiterhin Situationen, in denen die Gefühle und Gedanken sehr belastend sind. Aus den genannten Zusammenhängen folgt aber nun auch einmal, dass es entsprechend Zeit braucht, bis solche Beschwerden sich deutlich verbessern.

Man hört immer mal wieder in diesem Zusammenhang “Ich bin nicht meine Gedanken”. Ich finde das falsch. Es sind meine Gedanken, ich erzeuge mir diese Gedanken und damit sind sie für mich auch real. Diese Gedanken können aber Ereignisse fehlerhaft wiedergeben. Ich habe ein Modell von einem Ereignis im Kopf und kann erst mal nicht erkennen, wie realistisch dieses Modell das Ereignis wiedergibt. Ich kann aber eben mit dem Wissen um die Mechanismen beim denken in einem zweiten Schritt meine Denkweise realistischer gestalten. Ich muss aber diese Gedanken dann auch glauben, sie müssen das ursprüngliche Modell beeinflussen.

Umgang mit anderen Menschen

  • Wir Menschen bilden uns oft sofort eine Meinung zu einem Problem (Heuristiken). Damit relativiert sich die Bedeutung von solchen Aussagen. Heuristiken können Aussagen liefern, die einem selbst oder anderen helfen. Heuristiken können aber auch fehlerbehaftet sein.
  • Ich persönlich ärgere mich weniger über Menschen, bewerte Menschen weniger und bin toleranter geworden. wobei sich wohl nicht verhindern lässt, dass wir Menschen beurteilen (z.B. der „erste Eindruck“). Das ist menschlich und ich muss mich dafür nicht verurteilen, ich habe ja die Möglichkeit, das entsprechend zu reflektieren.
  • Ich suche auch weniger nach Erklärungen, warum Menschen etwas tun. Ich werde in den meisten Fällen zu falschen Erklärungen kommen.
  • Jeder Mensch besitzt sein eigenes Modell der Umwelt und von sich. Damit ist es hilfreich, eine Verhaltensweise von dem Menschen zu trennen23. Ich bewerte, ob diese Verhaltensweise mir schadet oder nicht und versuche nur auf die eventuell für mich belastenden Verhaltensweisen zu reagieren. Ich bewerte aber nicht den Menschen.
  • Ich selbst urteile auch weniger über mich. Wenn ich gestern etwas gesagt habe, was ich heute anders formuliert hätte, ist das eben so. Meine Denkweise (mein Bild der Umwelt) war gestern eben eine andere als heute. Meistens sind solche Vorkommnisse ja recht banal. Entscheidend ist wieder, dass ich darüber nachdenken kann und vielleicht daraus etwas für meine zukünftige Verhaltensweisen lerne.
  • Wenn 2 Personen in ihrer „eigenen Welt“ leben, kann ich auch nur sehr bedingt beurteilen, wie andere über mich urteilen. Ich kann nicht die Sichtweise von jemand anderen annehmen, um mich zu beurteilen. Urteile über andere Personen sind, wie oben beschrieben, auch gar nicht möglich.
  • Menschen lassen sich nicht vergleichen. Zwei Menschen können (theoretisch) ein sehr ähnliches Problem haben. Trotzdem können für diese beiden Menschen die Belastungen sehr unterschiedlich sein. Beide Personen nehmen ihre Umwelt und das Problem unterschiedlich war. Diese Wahrnehmung ist z.B. abhängig von den Erfahrungen die sie gemacht haben (also von dem Modell der Umwelt, das sie sich in der Vergangenheit gebildet haben), wie sie Reize wahrnehmen und verarbeiten usw. Das dabei entstehende Modell dieses Ereignisses kann / wird unterschiedlich sein24.
    Wenn mich etwas stark belastet, ist es wenig zielführend, wenn andere Personen das relativieren, z.B. „weil sie so etwas auch schon einmal erlebt haben“. Diese Belastung ist für mich real. Das muss der Ausgangspunkt sein, um Lösungen für ein Problem zu finden.
  • Ich verallgemeinere Aussagen nicht. Man hört / liest nur diese eine Aussage, die Meinung von anderen kenne ich nicht
  • Wichtig für mich ist, dass ich versuche einzuschätzen, wie gut sich jemand selbst reflektieren kann. Jeder hat mal eine „falsche“ Meinung. Entscheidend ist, wie eine Person sich seine Meinung bildet und in wie fern die Person eigenen Ansichten hinterfragt. Menschen, die sich gut reflektieren können, verhalten sich oft weniger belastend mir gegenüber

Soziale und gesellschaftliche Aspekte

Eigentlich sollte man dieses Wissen auch auf gesellschaftliche und soziale Probleme anwenden können. Mich wundert es, dass man diesbezüglich in der Öffentlichkeit kaum etwas davon hört, dass das gemacht wird. Wir haben die Fähigkeit, quasi als Nebeneffekt unserer Fähigkeit zu denken, die Mechanismen zu verstehen, wie unsere Denkweise zustande kommt. Das sollten wir eigentlich nutzen.

Evolution ist ein allgemeiner Begrifft. Evolutorische Prozesse gibt es nicht nur in der Biologie, sonder u.a. auch in der kulturellen und sozialen Entwicklung, in der Sprache, den Naturwissenschaften oder der Wirtschaft.
Durch evolutionäre Prozesse verändern sich u.a. unsere kognitiven Fähigkeiten und wir können so besser auf veränderte Umweltbedingungen zu reagieren. Wenn diese Umweltbedingungen sich schnell verändern, helfen uns diese dann veralteten Fähigkeiten nur noch bedingt. Es braucht also eine stabile Umwelt, damit uns diese kognitiven Prozesse hilfreich sind. Durch unser kognitiven Fähigkeiten verändern wir aber unsere Kultur, unsere sozialen Beziehungen und unsere Umwelt sehr schnell. Die biologische Evolution ist für so eine Geschwindigkeit bei Veränderungen in der Umwelt viel zu langsam. Aber auch die kulturelle Evolution ist dafür viel zu langsam. Jede bedeutende neue Erfindung kann gesellschaftliche Probleme auslösen. Das war im 19. Jahrhundert die Eisenbahn und ist jetzt z.B. das Internet, wobei jetzt schon wieder eine weitere bedeutende Innovation in Form der künstlichen Intelligenz unseren Alltag beeinflusst. Ich kann mir vorstellen, dass ein Problem unserer Gesellschaft ist, dass eben Veränderungen viel zu schnell gehen. Verändert sich unsere Umwelt (z.B. durch eine neue Technologie), ist unsere Denkweise diesbezüglich erst einmal veraltet und es müssten erst einmal kulturelle oder soziale Anpassungsprozesse stattfinden. Damit entstehen dann gesellschaftliche Konflikte. Hinzu kommen dann noch anderer Mechanismen wie die 🡵 kognitive Konsonanz und Dissonanz oder der Wunsch nach Gruppenzugehörigkeit. Es gibt da aber noch einige Faktoren mehr.
Wie schnell sich die Menschheit technologisch entwickelt hat, wird in einem Artikel auf 🡵 https://singularityhub.com mal grafisch dargestellt.

Ich kann mich über jemanden, der anders denkt als ich, lustig machen oder ich kann mich über ihn ärgern. Das führt nur zu keiner konstruktiven Lösung. Genau so wie ich von etwas überzeugt bin, ist der / die andere es auch. Damit muss ich uns beide erst einmal auf eine Stufe stellen und darf mich nicht überhöhen. Der nächste Schritt ist dann festzustellen, wie gut ich mich und wie gut sich die andere Person sich selbst reflektieren kann und welche Denkmethoden ich und der / die andere verwendet. Es kann ja auch sein, dass ich meine Denkmethoden verändern muss. Bewerten kann man das mit dem Wissen, wie wir denken, wie unsere Denkweise zustande kommt und den Schlussfolgerungen daraus. Daraus kann ich dann schlussfolgern, wie ich meine Denkmethoden noch anpassen sollte, und ich kann dann besser verstehen, warum der / die andere so denkt. Das sollte dann die Basis für Überlegungen sein, wie ich Konflikte im sozialen der gesellschaftlichen Bereich lösen kann. Dazu braucht es dann zum Teil umfangreicheres Fachwissen, aber ich habe den Eindruck, dieses Fachwissen ist in so fern vorhanden, dass ich Konflikte zumindest teilweise entschärfen kann (das Fachwissen lässt sich zwangsläufig aus dem Puzzle ableiten). Das Grundprinzip ist immer das selbe: jeder (auch ich) hat sein eigenes Bild der Umwelt im Kopf und daraus resultiert seine individuelle Denkweise. Jeder möchte sich wohl fühlen, leben und überleben. Mein Modell von der Umwelt ist genau so „realistisch“, wie das Modell das jemand anderes hat. Wenn jemand mit seinem Modell anderen Menschen oder der Umwelt schadet, muss man sich überlegen, wie man auf dieses Modell Einfluss nehmen kann. Das ist eine komplexe Aufgabe, teilweise wird man auch nur bedingt eine Lösung finden, aber man sollte zumindest das Wissen darüber, wie wir denken, in die Lösungsfindung mit einbeziehen.

Ist das zu theoretisch? Vielleicht. Allerdings habe ich auch gelernt, dass man, wenn man die oben kurz angesprochenen Mechanismen versteht, daraus doch viel für die Praxis ableiten kann.

Wenn es nur so einfach wäre

Wir nehmen im Alltag unsere Umgebung teilweise „falsch“ wahr oder machen z.B. im zwischenmenschlichen Bereich Denkfehler. Mit dem Wissen um die Mechanismen, wie unsere Denkweise zu Stande kommt, kann ich diese Wahrnehmungs- und Denkfehler teilweise bemerken und teilweise auch überprüfen und korrigieren. Je bedeutender eine Denkweise aber ist, um so schwere fällt es mir aber, wirklich daran zu glauben, dass dieses Bild die Situation falsch wiedergibt. Das was ich denke, ist für mich zunächst genau so real wie ein Gegenstand den ich sehe (und auch dabei könnte ich Wahrnehmungsfehler machen). Hinzu kommt dann noch, dass man (aus meiner Beobachtung heraus) in belastenden Situationen mehr dazu neigt, Zusammenhänge zu sehen und Muster zu erkennen, die es gar nicht gibt.
Bei schwerwiegenderen Problemen kostet es sehr viel mentale Kraft, sich zu verdeutlichen, dass das, was ich denke, fühle oder wahrnehme, eben falsch ist (wenn ich z.B. denke, etwas ist bedrohlich für mich, obwohl es gar nicht so ist). Außerdem ist es eben oft kaum möglich das wirklich zu glauben. Ich kann nicht sagen, ich habe jetzt das ganze Wissen und bewerte Wahrnehmungen, Gedanken oder Gefühle anders und alles ist gut oder habe keine Angst mehr bei bestimmten körperlichen Wahrnehmungen. Ich kann aber üben, meine Denkweise, meine Wahrnehmung und meine Gefühle mit Hilfe von Methoden, die ich aus den hier sehr grob beschriebenen Mechanismen ableiten kann, zu verändern. Ich sehe den Erfolg natürlich auch nur in der Phase, in der es mir besser geht und zweifle an den Methoden in Phasen, in denen es mir schlechter geht. Die Veränderungen brauchen Zeit. Aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen, es ist möglich mit diesen Methoden belastende Situationen zu verbessern und es dauert gar nicht so lange.
Ich kann die Perspektive natürlich auch hier verändern – nur wenn ich mich in einer belastenden Situation befinde, kann ich Methoden anwenden, um sie zu verbessern.

Bei anderen Maßnahmen ist es ähnlich – ich muss sie über einen längeren Zeitraum durchführen, ohne dass ich zunächst weiß, ob sie meine Situation verbessern. Ich darf nicht ständig an der Methode zweifeln, weil ich sie dann nicht richtig durchführe.

Bei psychosomatischen Beschwerden und Ängsten bzgl. körperlicher Empfindungen stellt sich außerdem auch weiterhin die Frage, wie ich akut tatsächliche körperliche Beschwerden von fehlerhaften Wahrnehmungen unterscheiden kann.

Bei allen Schwierigkeiten, wenn man sich über die Prozesse bewusst ist, die das Denken, Fühlen und Wahrnehmen beeinflussen, hat man damit weitere Möglichkeiten, auch in diesem Bereich etwas zu tun. Außerdem kann ich, wie gesagt, üben, meine Denkweise, meine Gefühle und meine Wahrnehmungen schrittweise zu verändern. Man kann lernen, dass einem „da oben im Kopf“ auch ab und zu mal „Blödsinn“ erzählt wird. Dann lernt man eben auch, spielerischer mit den eigenen Gedanken umzugehen.

Praktische Umsetzung und Übungen

Wie geschrieben, es ist wichtig, dass man sich nicht nur das entsprechende Wissen aneignet. Im Alltag kann man die genannten Schlussfolgerungen noch umsetzen, das wird aber um so schwieriger, je bedeutender ein Problem, eine Thematik oder eine Symptomatik wird. Deswegen möchte ich hier mal ein paar Ideen aufschreiben, die einem dabei helfen können. Seit dem ich mich mit der Thematik beschäftige habe, kamen sehr viele Idee und auch Übungsmöglichkeiten wie ich meine Denkweise im Alltag und bei schwerwiegenderen Problemen verändern kann.

  • Man kann sich selbst beobachten und eine gewisse Sensibilität für Wahrnehmungsfehler entwickeln. Welche Reize und welche körperliche Empfindungen nehme ich wahr, die aber nicht den tatsächlichen Vorkommnissen entsprechen? Welche Denkweisen habe ich, die „falsch“ sind? Erkenne ich Zusammenhänge oder Muster, die gar nicht existieren? Wenn ich vor etwas unbegründet erschrecke, etwas fallen lasse oder jemand sich anders verhält, als man das erwartet, sind das alles Denk- und Wahrnehmungsfehler. Mein inneres Modell der Umwelt ist dann fehlerhaft. Die kognitiven Prozesse, die dabei eine Rolle spielen sind die selben, wie bei schwerwiegenderen Problemen.
  • Ordne ich bestimmte Vorkommnisse in Kategorien ein, obwohl diese Einteilung nicht gerechtfertigt ist? Erwarte ich z.B. eine bestimmte körperliche Reaktion auf ein Ereignis?
  • Man kann sich mit der Thematik intensiver beschäftigen. Es dauert einige Zeit, bis sich die eigene Denkweise verändert. Wenn die Aussagen in einem arbeiten, entstehen neue Erkenntnisse, die einem dann helfen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sich dieser Prozess auch unterbewusst auswirkt. Ich nehme die Atemnot mittlerweile im positiven Sinne „anders“ wahr.
  • Man kann wirklich mal versuchen, sich, wie oben beschrieben, in sein Gehirn hinein zu versetzen. Ich befinde mich in einem dunklen Raum und habe irgendeine Wahrnehmung, z.B. ein Geräusch. Das soll ich jetzt bewerten, ob es schädlich für meinen Körper ist oder nicht. Zur Bewertung kann ich im nächsten Schritt noch weitere Wahrnehmungen mit hinzunehmen. Als weitere Informationsquelle habe ich dann noch meine Erinnerungen. Ziel ist es, vorauszusagen, wie ich auf diese Wahrnehmung reagieren sollte. Man merkt, dass das gar nicht so einfach ist. Das gleiche kann ich natürlich auch mit einer körperlichen Empfindung machen. Ich kann das natürlich auch in Situationen machen, dir mir tatsächlich Angst machen. Ich kann mir auch überlegen, wie ich mein Gehirn dabei unterstützen kann, durch Gedanken und eine veränderte Wahrnehmung (von äußeren Reizen und körperlichen Empfindungen), die Situation realistischer einzuschätzen.
  • Eine Stresssituation entsteht oft nicht nur durch einen Auslöser. Die Bewertung der Situation erfolgt auch durch weitere Wahrnehmungen und Erinnerungen. Ich kann also auf eine Situation, die mir z.B. Angst macht auch Einfluss nehmen, in dem ich andere Wahrnehmungen in der Situation oder vorher verändere.
  • Ich kann nicht im jetzt leben. Die aktuelle Denkweise, Wahrnehmung und die aktuellen Gefühle resultieren aus den aktuellen Wahrnehmungen und meinen Erinnerungen. Das, was ich denke, fühle oder wahrnehme kann man aber auch mehr als Voraussage betrachten. Ich mache also Voraussagen auf Basis von meinen Erinnerungen. Im Prinzip sind meine Wahrnehmung, meine Gefühle und meine Denkweise veraltet. Das kann einem in Situationen, die einem Angst machen, helfen. Das ist auch bei z.B. bei Ängsten bzgl. von körperlichen Empfindungen ein starker Perspektivwechsel. Die Atemnot kann ich z.B. so interpretieren, dass sie voraussagt, dass ich ersticken werde. Diese Voraussage basiert aber wahrscheinlich auf fehlerhaften Annahmen. Ich muss diese Voraussage nicht glauben.
  • Ein bestimmtes Ereignis (eine Wahrnehmung) löst nicht ein bestimmtes Gefühl aus. Ein Gefühl wird von einem selbst erzeugt und erfolgt auf Basis von Erinnerungen und die Zuordnung wurde erlernt. Ich bin also einem Gefühl nicht hilflos ausgeliefert. Ich kann belastende Gefühle verändern. Ich kann diesem Gefühl auch zunächst eine falsche Bedeutung beimessen. Das gilt auch für körperliche Empfindungen25.
  • Das, was ich heute erlebe, ist morgen Teil meiner Vergangenheit. Entscheidend ist aber, dass diese Vergangenheit, symbolisch gesagt, morgen Teil meiner aktuellen Wirklichkeit ist. Meine Wahrnehmung, meine Gedanken und meine Gefühle werden morgen davon beeinflusst. Das Gedächtnis enthält nicht nur gute oder belastende Erinnerungen, es spielt eine bedeutende Rolle in der aktuellen Wahrnehmung. Damit ist es auch wichtig, meine zukünftigen Erinnerungen zu verändern, und das mache ich jetzt. Ich habe mir angewöhnt, mehr darüber nachzudenken, wie ich die aktuelle belastende Situation so gestalten kann, dass sie mir morgen hilft. Es geht dann z.B. weniger darum, ein gerade negatives Gefühl einfach nur wegzubekommen, sondern dass mir die aktuellen Erfahrungen „morgen“ helfen.
    Daraus folgt auch, dass ich mir nicht enttäuscht sein sollte, wenn eine Methode aktuell weniger gut funktioniert, als ich mir das vorgestellt habe. Ich kann meine aktuellen Wahrnehmungen durch verschiedene Methoden verbessern, durch belastende Vorkommnisse in der Vergangenheit werden sie aber trotzdem noch entsprechend negativ beeinflusst26.
  • Beobachten, was sich durch die angewandten Methoden kurz- und mittelfristig verändert. Erlebe ich eine Situation anders? Bewerte und erlebe ich körperliche Empfindungen anders? Verändert sich meine Sichtweise über die gleiche Thematik zu verschiedenen Zeitpunkten oder durch unterschiedliche Einflüsse von außen? Wie beeinflussen meine Gedanken meine Empfindungen?
  • Verstehe ich persönliche Ereignisse mit diesem Wissen besser?
  • Den Mut haben, die eigene Denkweise zu verändern und beobachten, welche Veränderungen das bewirkt.
  • Beobachten, wie nicht nur ich, sondern auch andere Fehler machen
  • Um meine eigene Welt, in der ich lebe, zu verändern, kann ich kleinere Veränderungen im Alltag durchführen. Ich kann mir auch etwas Neues beibringen und dabei beobachten, wie ich durch Üben neue Erfahrungen mache. Jede kleiner Veränderung verändert auch mein Modell von meiner Umwelt. Ich kann mir auch Gelegenheiten verschaffen, neue Impulse von außen bekommen. Auch das ist natürlich wichtig, um diese “eigene Welt” zu verändern.
  • Ich kann mich mit Themen beschäftigen, die eine andere Denkweise erfordern. Ich kann auch versuchen, die Perspektive aus der ich eine Thematik betrachte, zu verändern und dann überlegen, welche Schlussfolgerungen ich daraus dann ziehen kann.
  • Ich kann mir eine Situation, die mich nur wenig belastet, dazu nutzen, um bestimmte Methoden zu üben oder auszuprobieren (ich kann mir auch solche Situationen selbst erzeugen). Dadurch lerne ich dann, welche Methoden tatsächlich eine Veränderung bewirken. Ich habe dabei die Möglichkeit zu experimentieren, was in stark belastenden Situationen nur bedingt möglich ist. In so einer Situation brauche ich dann etwas, was wirklich hilft.
  • Vielleicht sollten positive Veränderungen auch nicht zu schnell erfolgen. Wenn sich diese Welt, in der ich lebe, zu schnell verändert, besteht vielleicht die Gefahr von kognitiven Dissoziationen (das ist jetzt nur ein Gedanke eines Laien!). Allgemein können kognitive Dissoziationen verschiedene negative Auswirkungen haben. Vielleicht ist die Gefahr dann größer, dass es einem auch wieder schlechter geht bzw. vielleicht ist das die Erklärung dafür, dass das so bei mir schon gewesen ist.

Kritik

Die oben beschriebenen Mechanismen sind Stand des aktuellen Wissens. Wissen ist aber nicht absolut. Man wird immer mal wieder Erkenntnisse korrigieren müssen. Manchmal suggerieren die Aussagen auch, dass man etwas sehr genau weiß, obwohl man nur eine ungefähre Vorstellung von einem Zusammenhang hat. Das ändert aber nichts an den grundsätzlichen Aussagen und den Schlussfolgerungen daraus (weil die Generierung dieser Erkenntnisse und Aussagen bestimmten Regeln entsprechen muss)27.

Es lässt sich auch nicht jede Empfindung oder jeder Gedanke durch bildgebende Verfahren darstellen oder auf Zahlen abbilden. Leider wird diesen Methoden aber oft eine zu große Bedeutung beigemessen. Auch wenn Untersuchungen ohne Befund bleiben, können z.B. psychosomatische Beschwerden für die betreffende Person sehr belastend sein.
Mit der Technologie, die uns momentan zur Verfügung steht, lassen sich aber doch einige auch für die Praxis relevanten Erkenntnisse gewinnen.

Es gibt vieles, was wir noch nicht verstehen, dazu zählen so bedeutende Themen wie z.B. was Bewusstsein überhaupt ist oder ob es einen freien Willen gibt28.

Bei diesen Problemstehlungen, muss man aber auch genau das dann sagen: ich weiß es nicht, mir fehlen dazu die notwendigen Kenntnisse. Man muss nicht immer in Wissenslücken irgendwelche Erklärungen „stopfen“, nur damit man eine Erklärung hat.

In der Praxis müssen sich die Schlussfolgerungen aus diesem Wissen daran messen lassen, ob sie jemanden helfen. Ist das nicht zufriedenstellend der Fall, muss nach Methoden gesucht werden, die der Person besser helfen.

So kritisch das hier auch alles klingt – meistens liegen wir mit unseren Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühlen (in Form von Vorhersagen und Simulationen) ja richtig. Ansonsten gäbe es uns ja nicht. Das Gehirn erledigt seine Aufgabe im großen und ganzen ja recht gut. Wir nehmen am Tag Unmengen Sinnesdaten (unbewusst) wahr. Bei einem Großteil davon liegen wir mit unseren Vorhersagen und Simulationen ja richtig. Diese Art und Weise des Denkens, der Wahrnehmung und des Fühlens funktioniert halt nur in bestimmten Bereichen nicht so gut, wie z.B. bei sich verändernden Umweltbedingungen.

Etwas Theorie zum Schluss 🙂

Man kann die Art und Weise wie Menschen denken und fühlen z.B. aus psychologischer Sicht verstehen wollen und daraus Schlussfolgerungen ziehen. Ein deutlich besseres Verständnis bekommt man aber, wenn man verschiedene andere Disziplinen, vor allem das Verständnis für die kognitiven Mechanismen, die Anthropologie und die Evolution mit einbezieht. Das Verständnis vergrößert sich dann einerseits durch die jeweiligen Aussagen der Disziplin, aber auch durch unterschiedliche Methoden, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Allgemein kommt man oft zu einem neuen Verständnis für eine Thematik, wenn man auch andere Disziplinen mit ihren jeweiligen Denkweisen mit einbezieht. Mir persönlich hat da die Physik (in ihren Grenzbereichen) sehr geholfen. Ich denke mal, wenn man andere Wissensgebiete mit einbezieht, ist das ähnlich.
Das was man sich an Wissen aneignet, arbeitet dann in den nächsten Wochen und Monaten in einem. Die Impulse für neue Erkenntnisse kommen dann oft auch dadurch, dass man diese Erkenntnisse mit Ereignissen im Alltag oder Vorkommnissen aus der eigenen Vergangenheit kombiniert. Man geht so durch den Tag, erlebt irgend etwas, erkennt einen Zusammenhang zu etwas, über das man gelesen hat, und hat dann ein „Aha – Erlebnis“.

Ich finde, die Tiefe (Komplexität), mit der man sich als Laie die Themen erschließen kann, ist genau richtig, um sich ein gewisses Verständnis für unsere kognitiven Fähigkeiten anzueignen das einem dann auch im Alltag hilft. Ich muss einerseits nicht verstehen, wie Neuronen miteinander interagieren, um z.B. Methoden zur Stressreduzierung zu finden. Andererseits können Aussagen über unsere Denkweise auch zu allgemein sein, so dass ich auch daraus wenig praktische Schlussfolgerungen ziehen kann.

Wenn man zu neuen Erkenntnissen gelangen möchte, ist es auch wichtig, die richtigen Fragen zu stellen, also auch das passende Modell zu wählen um aussagekräftige Antworten zu bekommen. Bei dieser Thematik habe ich verschiedene Modelle zur Verfügung um Probleme zu lösen. Ich kann eine Problematik aus der psychologischen Perspektive betrachten, ich kann sie aber auch z.B. auf der neurologischen, evolutionsbiologischen oder anthropologischen Sichtweise bzw. einer Kombination davon betrachten. Alle 4 Modelle betrachten eine Problematik aus unterschiedlichen Perspektiven, aus denen ich dann Erklärungen und Lösungsmöglichkeiten ableiten kann.


Man muss sich dafür aber auch interessieren. Wenn man sich mit etwas beschäftigt, zu dem man sich zwingen muss, ist eigentlich auch nicht die richtige Methode, sich der Thematik anzunähern. Gerade in belastenden Situationen müssen die Methoden, die einem helfen sollen, zur eigenen Denkweise passen. Man kann Belastungen zum Anlass nehmen, eigene Denkmuster verändern. Besser ist es aber wohl, wenn ich beides, also eine belastende Situation verbessern zu wollen und meine Denkweise verändern verändern zu wollen, nicht gleichzeitig machen muss.

Literatur

Ich denke, es ist sinnvoll, nicht nur z.B. ein Buch von einer Autorin / einem Autor zu lesen, sonder zusätzlich auch noch Artikel und Bücher von anderen Autoren/innen zu lesen. Die Erkenntnisse von jemanden können für einen Laien durchaus nachvollziehbar sein, andere Fachleute können aber eben auch andere Meinungen zu einer Thematik haben.

Bücher

Phillip Sterzer: Die Illusion der VernunftEin Überblick darüber, warum unsere Überzeugungen uns täuschen können und welchen Ursprung Denkweisen und Wahrnehmungen haben.
Gerhard Vollmer: Evolutionäre ErkenntnistheorieDie evolutionäre Erkenntnistheorie ist so etwas wie der theoretische Rahmen, in dem zusammengefasst wird, was wir überhaupt wissen können und wie wir Erkenntnisse einordnen müssen. Die Aussagen darin sind teilweise recht abstrakt und die Thematik wird auch sehr philosophisch behandelt. Die Erkenntnisse wirken sich aber auch auf unsere Denkweise im Alltag aus. Dieser praktische Bezug wird darin aber weniger thematisiert. Ziel der evolutionären Erkenntnistheorie ist es aber vor allem zu erklären, welche Aussagekraft wissenschaftliche Theorien haben und herauszuarbeiten, was wir mit unseren kognitiven Fähigkeiten überhaupt verstehen können. Die erste Auflage des Buches wurde in den 1970er Jahren geschrieben, und das spiegelt sich auch in der Sprache wieder.
Joseph LeDoux: Bewusstsein. Die ersten vier Milliarden JahreIm ersten Teil des Buches wird die stammesgeschichtliche Entwicklung von den Einzellern bis zum Menschen behandelt. Im zweiten Teil wird dann erklärt, welche Rolle die einzelnen Hirnareale beim Denken, Wahrnehmen und Fühlen spielen und erfordert für einen Laien teilweise etwas mehr Konzentration und ggf. auch mehrmaliges Lesen der Absätze :-). Auch hier wird die evolutionäre Entwicklung in die Erklärungen mit einbezogen. Ein Interview mit ihm gibt es bei 🡵 spektrum,de.
Chris Frith: Wie unser Gehirn die Welt erschafftDas Buch beschreibt, wie unser Gehirn ein internes Modell der Welt konstruiert und warum wir die Welt so erleben, wie wir sie erleben.
Lisa Feldmann Barret: Wie Gefühle entstehenDas Buch behandelt, wie unser Gehirn unsere Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen erzeugt. Eine der Grundaussagen ist, dass Emotionen nicht universell vorgegeben sind, sondern, dass das was wir empfinden, abhängig von unseren Erfahrungen ist. Damit haben wir größeren Einfluss auf unsere Emotionen, als uns das allgemein bewusst ist. Es gibt auch eine Webseite zu dem Buch: 🡵 https://how-emotions-are-made.com/notes/Home

Man kann sich natürlich auch Rezensionen zu Büchern durchlesen, z.B. unter 🡵 https://www.spektrum.de/rezension/mathematik/ oder 🡵 https://www.wissenschaft.de/rezensionen/buecher/.

Artikel im Internet

(Das ist natürlich nur eine sehr kleine Auswahl. Es gibt wirklich viele gute Artikel zu dem Thema, man muss sie nur finden. Man kann bei all den Artikeln sehr schnell den Überblick verlieren. Um das Wissen praktisch anwenden zu können, ist es aber wichtig, die wichtigsten (belastbaren) Aussagen aus den Artikeln herauszulesen und mit anderen Aussagen zu verknüpfen. Das ist die eigentliche Schwierigkeit dabei. Stand Juli 2023 wenn nichts anderes angegeben.)

Eine gute und kompakte Zusammenfassung der Entwicklung unserer kognitiven Fähigkeiten:
🡵 https://www.spektrum.de/magazin/wie-der-mensch-das-denken-lernte/828592

Was sind Emotionen, wie entstehen sie und welche Funktion haben sie?
🡵 https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/emotionen/3405

Artikel über die evolutionäre Erkenntnistheorie:
🡵 https://scilogs.spektrum.de/die-sankore-schriften/die-grossen-fragen-wie-entstand-der-evolution-das-menschliche-bewusstsein/
🡵 https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/erkenntnistheorie-und-biologie-evolutionaere-erkenntnistheorie/22339

Entwicklung von Verhaltensweisen und kognitiven Eigenschaften vom Einzeller bis zum Menschen (englisch):
🡵 http://www.wiringthebrain.com/2022/06/the-evolution-of-meaning-from-pragmatic.html

Artikel über Mustererkennung (englisch):
🡵 https://www.iflscience.com/why-is-nature-full-of-patterns-68699

Artikel wie unser Gehirn die Außenwelt abbildet:
🡵 https://www.spektrum.de/news/unsere-inneren-universen/1696550

Artikel über kognitive Verzerrungen beim Sehen (englisch):
🡵 https://medicalxpress.com/news/2023-06-visual-perception-rational.html

Fakten ändern die Meinung nicht (englisch):
🡵 https://bigthink.com/neuropsych/facts-dont-change-minds/

Artikel über die Art und Weise, wie unser Gehirn Voraussagen macht:
🡵 https://www.spektrum.de/news/sagt-unser-gehirn-die-zukunft-voraus/1613666
🡵 https://www.dasgehirn.info/aktuell/neues-aus-den-instituten/warum-sehen-ein-entscheidungsprozess-ist

Warum wir uns von Menschen abgrenzen und andere Menschen hassen (englisch, ich finde den Artikel schwer zu lesen):
🡵 https://bigthink.com/neuropsych/your-brain-hates-other-people/

Webseiten

Webseiten, die sich mit dem Thema befassen sind u.a.:

🡵 https://scilogs.spektrum.de, 🡵 https://www.spektrum.de/news/, 🡵 https://www.spektrum.de/thema/bewusstsein/1356782

🡵 https://bigthink.com/ (Englisch, ich find‘ die Seite toll, weil es da auch um Themen geht, über die man eher seltener etwas liest.)

🡵 https://www.sciencealert.com (englisch)

🡵 https://www.scinexx.de

🡵 https://www.dasgehirn.info

🡵 https://medicalxpress.com/news/ (englisch)

Man kann auch einfach mal ein paar Wikipedia – Artikel als Ausgangspunkt für die Thematik nehmen, z.B.:

🡵 https://de.wikipedia.org/wiki/Wahrnehmung
🡵 https://de.wikipedia.org/wiki/Evolution_des_Denkens
🡵 https://de.wikipedia.org/wiki/Verhaltensbiologie

Letzte Änderung:

  1. Ich würde das Puzzle gerne kognitive Relativitätstheorie nennen, aber das wäre dann wohl die größte Eselei meines Lebens :-)
  2. Evolution ist ein allgemeiner Begriff, der nicht nur die Entwicklung von Lebewesen betrifft. Die evolutionären Prozesse finden auch im sozialen Bereich, in den Naturwissenschaften, in den Sprachwissenschaften, der Wirtschaft usw statt.
  3. Da ist die Entwicklung der Arten ganz nett dargestellt, einmal als Grafik: 🡵 https://www.evogeneao.com/de, und dann noch interaktiv: 🡵 https://www.onezoom.org
  4. Die Gedanken hier habe ich aus Lisa Feldmann Barret: Wie Gefühle entstehen, Seite 116ff abgeleitet
  5. Man kann ja wirklich mal die Augen schließen und versuchen, nur den jeweiligen Reiz wahrzunehmen, ohne die Erinnerungen mit einzubeziehen oder ohne andere Reize zur Beurteilung der Situation mit hinzuzunehmen, um das zumindest etwas zu simulieren.
  6. top – down, 🡵 https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/top-down-systeme/13039
  7. z.B. beurteilen wir Menschen auch in Abhängigkeit davon, in welcher Umgebung wir uns befinden🡵 https://bigthink.com/neuropsych/your-brain-hates-other-people/
  8. Wenn ich nachts durch die Straße gehe und sich ein Schatten bewegt, ist es wahrscheinlich, dass die Ursache z.B. ein Baum, der sich durch den Wind bewegt ist. Es ist unwahrscheinlicher, dass der Schatten von einem Menschen kommt, der irgendetwas “böses” von mir will. In dem Fall ist es aber besser, lieber einmal unbegründet Angst zu haben und entsprechend zu reagieren, weil die Konsequenzen sehr bedeutend sind, wenn ich einfach weiterlaufen würde und ich doch z.B. von jemanden überfallen werden.
  9. Quellen sind z.B. Lisa Feldmann Barret: Wie Gefühle entstehen und Joseph LeDoux: Bewusstsein. Die ersten vier Milliarden Jahre
  10. Gerhard Vollmer: Evolutionäre Erkenntnistheorie, 9. Auflage, S.180ff
  11. 🡵 https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/gestaltwahrnehmung/4706
  12. Ich denke, mir steht es als Laie auch nicht zu, hier Fachwissen aufzuschreiben. Jeder kann mittlerweile Artikel oder Bücher (oder Studien) von Fachleuten zu dem Thema lesen. Bei aller Sorgfalt, besteht dann doch die Gefahr, dass ich dann auch teilweise „Blödsinn“ schreibe, wenn ich ich einen Themenkomplex hier zusammenfasse. Man muss halt nur wissen, wonach man suchen muss, um die passenden Artikel oder Bücher zu finden.
  13. Physikalische Kenntnisse. die man im Alltag nicht braucht, können einem also auch praktisch helfen :-).
  14. Unsere kognitiven Fähigkeiten sind entstanden weil sie uns aus evolutorischer Sicht Vorteile gebracht haben. Ich habe einen Überlebensvorteil, wenn ich meine Umwelt innerhalb gewisser Grenzen reflektieren kann. Der Nebeneffekt davon ist aber, dass ich nicht nur über meine Umwelt nachdenken kann, sondern auch über meine eigene Denkweise.
  15. Wenn ich z.B. Atemnot habe, stelle ich mir meinen Kopf und meine Lunge vor, wie sie über Nervenbahnen miteinander „kommunizieren“ und wie dann eine falsche Wahrnehmung von dem Vorgang der Atmung, entsteht.
  16. 🡵 https://bigthink.com/neuropsych/your-brain-hates-other-people/
  17. Gerhard Vollmer: Evolutionäre Erkenntnistheorie, 9. Auflage, S.145f
  18. Wobei unsere kognitiven Mechanismen uns in dieser sehr dynamischen welt zurechtzufinden, teilweise doch sehr veraltet sind.
  19. Beispiel: Wenn ich im Supermarkt stärkere Atemnot habe, kann ich mir sagen, dass es daran liegt, dass ich diesmal Kaffee getrunken habe oder mich zu wenig gedehnt habe. Die Erklärung ist erst mal egal, es ist wichtig eine Erklärung zu haben, die die Situation nicht noch mehr verschlimmert oder die mir hilft, die Atemnot nicht zu generalisieren. Genauer über die Ursachen nachdenken kann ich, wenn es überhaupt sinnvoll ist, wenn ich mich nicht mehr in der kritischen Situation befinde.
  20. Man kann eigentlich die komplexen Vorgänge, wie wird unsere Umwelt und unserer Körper wahrnehmen n und wie wir denken, nicht in nur einem Satz zusammenfassen. Wenn ich aber z.B. unbegründete Ängste habe, brauche ich einfache Gedanken und Handlungsanweisungen, die mir in dem Moment helfen. Ereignisse in der Vergangenheit haben eben eine große Gewichtung bei der Erzeugung von dem Modell, das wir uns von unserer Umwelt und unserem Körper machen. Diese Art der Verarbeitung von Reizen funktioniert ja auch super im Alltag. Wenn sich aber z.B die Umgebung verändert, führt das oft zu Wahrnehmungs- und Denkfehlern.
  21. Wenn ich mich in den Finger geschnitten habe, kann ich mir den Schmerz (das Gefühl) mental „wegmachen“. Das ist nur nicht praktikabel, weil ich mich dazu auf die Wunde konzentrieren muss und nach 2, 3 Minuten die Konzentration weg ist. So ähnlich ist es, zumindest bei mir, mit anderen Gefühlen auch. Ich kann so zumindest mal kurze Zeit auf ein unangenehmes Gefühl Einfluss nehmen. Ich hatte das jetzt einige Male ausprobiert, und diese Methode hat ganz gut funktioniert.
  22. Beispiel Atemnot: meine normale, geordnete, aber sehr belastende Welt ist die, dass ich aufgrund der Symptomatik mich nicht sehr weit von der Wohnung entfernen kann. Diese Welt ist „normal“ für mich. Problemlos irgendwo hinzufahren ist nicht normal für mich. Damit fällt es mir schwer, meine Situation zu verändern. Mit den Kenntnissen um die Mechanismen wie ich denke, kann ich die Aufgabe aber schrittweise bewältigen.
  23. Das heißt nicht, dass wir unser Verhalten nicht beeinflussen können. Wir können ja über unsere Denk- und Verhaltensweisen nachdenken.
  24. Es gibt z.B. Studien diesbezüglich, in denen man festgestellt hat, dass Menschen die gleichen optischen Reize unterschiedlich wahrgenommen haben.
  25. Das sind die Aussagen, die ich in den unten angegeben Büchern und Artikeln gelesen habe.
  26. Sorry, ich weiß gerade nicht, wie ich das besser formulieren könnte.
  27. Den Stammbaum in der Evolutionstheorie kann man z.B. nicht exakt angeben. Auf die grundsätzlichen Mechanismen der Evolution hat das aber keinen Einfluss.
  28. Wie auch immer man freien Willen dann definieren will. Ich finde das Thema gar nicht so spannend, weil ich es auch wichtig finde, dass wir uns selbst gut reflektieren können, siehe 🡲 Freier Wille, Selbstreflexion, Intelligenz

7 Replies to “Wie wir denken, fühlen und unsere Umwelt und unseren Körper wahrnehmen”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert