Ein paar persönliche Gedanken zu Traumata und starken Belastungen

Ich habe vor ein paar Tagen in dem Buch „Wie Gefühle entstehen“ von Lisa Feldman Barrett die Sätze gelesen, dass Mädchen, die von ihren Eltern missbraucht wurden, zwei mal zum Opfer gemacht wurden: einmal im Augenblick des Missbrauchs, und einmal, weil man ihnen ein emotionales Leid aufbürdet, das sie nur selbst lösen können1.

Das entspricht allgemein bei einem Trauma durchaus meinen Erfahrungen.

Man selbst erkennt die Schwere der Problematik zunächst nicht. Man kann sie auch nicht erkennen, dafür braucht man die Sicht von außen. Man ist also darauf angewiesen, dass jemand anderes erkennt, wie schlimm bestimmte Erlebnisse für einen sind. Das ist aber oft nicht der Fall. Statt einer Diagnose Traumastörung, ist dann von Depression, Angststörung oder anderen Diagnosen die Rede. Ich war viele Jahre überhaupt nicht fähig mit fremden, über meine Probleme zu reden. Man orientiert sich bei dem, was man im Alltag so macht, bei den Zielen, die man sich setzt usw an seiner Umwelt. Man hat aber die Einschränkung, dass man starken Belastungen ausgesetzt ist. Damit kostet das alles extreme Kraft und führt dazu, dass man nicht die Leistung erbringen kann, die man von sich erwartet und nur so viel leisten kann, dass man irgendwie durchs Leben kommt. Andere Personen bemerken dass nicht, dass man sich immer im „Grenzbereich“ von dem, was man leisten kann, befindet. Selbst Fachleute, an die man sich wendet, bemerken das oft nicht. Es kann passieren, dass auch Menschen mit entsprechende Fachkenntnissen einem indirekt und direkt zu verstehe geben, dass man mehr tun muss. Der Druck von außen führt dann dazu, dass man sich noch mehr unter Druck setzt, etwas zu tun, und noch mehr erträgt, obwohl der Alltag bereits, was Gefühle, Gedanken und die Lebenssituation anbelangt, unerträglich ist.

Wenn die Belastungen so stark sind, ist es notwendig, dass man möglichst schnell Unterstützung bekommt. Die Suche nach entsprechender Unterstützung kann aber einige Zeit dauern. Für die Suche braucht man Kraft, die man eventuell gar nicht hat.

All das führt dazu, dass man immer weniger seine Alltagsprobleme bewältigen kann und immer mehr ertragen muss. Man kann sich dann z.B. nur noch sehr bedingt gegen Fehlverhalten von anderen Menschen wehren. Das macht dann alles noch schlimmer.

In der Ausdrucksweise von Frau Feldman – Barrett gesagt, wird man, wenn die Thematik nicht angemessen behandelt, noch ein drittes Mal Opfer. Man muss teilweise in so einer Situation um Hilfe kämpfen, man versucht mit extremer Anstrengung seine Situation zu verbessern, die eigene Problematik und Symptomatik wird aber teilweise verharmlost und von einigen Personen bekommt man Aussagen zu hören, die fachlich falsch sind und die das eigene Befinden noch verschlimmern.

Im Jahr 2022 haben sich in Deutschland 10119 Menschen das Leben genommen2. Wenn man sich das mal grafisch veranschaulicht, sieht das so aus:

Jeder dieser einzelnen Pixel repräsentiert eine Person, die sich das Leben genommen hat.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man bei diesem Kampf an seine Grenzen kommen kann. Mich würde eine statistische Auswertung diese Selbstmorde interessieren. Wie viele dieser Personen haben sich Unterstützung versucht zu holen, diese Unterstützung aber nicht bekommen?

Zurück zum Buch: Allgemein können wir unsere Denkweise, unsere Art der Wahrnehmung und unsere Gefühle aber verändern und so unsere Lebensqualität verbessern. Ich habe mich mit der Thematik, von der das Buch handelt in den letzten Monaten viel beschäftigt und kann das bestätigen. Erste deutliche Erfolge hatte ich bereits nach ein paar Wochen. Aus meiner Erfahrung heraus lohnt es sich, einmal mit dem Thema wie wir denken, fühlen und wie wir körperliche Vorgänge und unsere Außenwelt wahrnehmen, zu beschäftigen. Andere Quellen dazu habe ich in dem Artikel Das Verständnis für unsere kognitiven Prozesse im Alltag aufgeführt. Durch die Artikel und Bücher hat sich mein Verständnis der Thematik stark verändert. Vieles von dem hatte ich so von Fachleuten noch nicht gehört. Auch das genannte Buch ist kein Ratgeber für die Praxis. Es werden darin u.a. neurologischen Zusammenhänge thematisiert. Man kann sich aber aus den Zusammenhängen Methoden ableiten, um seine Denkweise, seine Art der Wahrnehmung, und seine Gefühle zu verändern.

Über diese Thematik kann man sehr viel reden. Der Impuls diesen Artikel zu schreiben, war für mich der Absatz in dem oben genannten Buch. Ich werde den Artikel demnächst weiter schreiben und mir auch weiter Gedanken dazu machen.

  1. Lisa Feldman Barrett: Wie Gefühle entstehen, 2. Auflage, Seite 272
  2. Quelle 🡵 https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/suizid.html

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