Die eigene Wahrnehmung und ihr Bezug zur Realität

Dass Gedanken erstmal mit der Realität (als abstrakten Begriff) nichts zu tun haben, ist das eine.

Man kann die Thematik aber auch aus subjektiver Sicht sehen. Das was ich denke (und das aus meiner Sicht auch so sein kann), ist in diesem Moment für mich Realität, egal, wie es „tatsächlich“ ist.

Ich bin z.B. mal länger gelaufen und hatte mich dabei verlaufen. Zumindest dachte ich das. Da ich in dieser Zeit schon die starken Probleme mit Atemnot hatte, bekam ich dann Angst die so schlimm wurde, dass ich gefühlte Herzrythmussstörungen bekommen habe, die die Situation dann eskalieren ließen. Tatsächlich war ich an dieser Stelle nur unweit von einem Ort entfernt, den ich gekannt habe und von dem aus es nicht mehr weit bis zur Wohnung gewesen wäre. Die „Realität“ von außen betrachtet, war also harmlos, meine „subjektive Realität“ hat nicht nur zu Angst, sondern auch starken körperlichen Symptomen geführt. Waren die Symptome für mich weniger schlimm, weil die „Realität“ die war, dass ich nur ein paar Meter von der “rettenden” Stelle entfernt war? Nein.

Ein anderes Beispiel: Wenn ich Herzstolperer hab, dann schießt mir in diesem Moment als erstes die Angst durch den Körper und ich habe automatisch Gedanken daran, dass ich sterben könnte. Die Gedanken, dass ich das schon viele Male erlebt habe, Untersuchungen keinen entsprechenden Befund ergeben haben usw. kommen erst im Anschluss. Der Körper ist in diesem Moment aber schon im Flucht/Kampfmodus und ich kann mit meinen Gedanken nur Schadensbegrenzung betreiben. Einfach formuliert, dauert es dann einige Zeit, bis das Adrenalin aus dem Blut raus ist und der Körper wieder zur Ruhe kommt.

Biologisch ist es ja auch sinnvoll, dass, wenn mein Körper mir sagt, ich sterbe, ich das zunächst auch glaube. Auch wenn eine körperliche Untersuchung einen Monat vorher ergeben hat, dass alles in Ordnung war, finde ich in dem Moment immer Gründe, warum die Symptomatik trotzdem lebensbedrohlich sein könnte. An diese Gedanken glaube ich, so dass es entsprechend schwierig ist, diesen etwas entgegenzusetzen.

Wenn solche Erlebnisse sehr intensiv sind, ist das, als würde man in einer ganz anderen Gefühlswelt leben, verbunden mit ganz anderen Gedanken, als man sie außerhalb dieser Phase hat. Es ist eine ganz andere Art des Erlebens. Außenstehende bewerten diese Erlebnisse aus der äußeren Sicht. Auch ich beurteile im Nachhinein die Erlebnisse dabei mit meiner jetzigen Denkweise. Das führt dann teilweise zu einer falschen Bewertung und Relativierung. Es ist so, als würde man über einen ganz anderen Menschen urteilen wollen.

1Als ich mich mit dem Thema „kognitive Verzerrungen“ beschäftigt habe, und mich Alltag mit diesem Wissen beobachtet habe, habe ich festgestellt, dass ich um so mehr dieser Denkfehler mache, je bedeutender das Problem für mich ist und dass ich teilweise wusste, dass ich Denkfehler mache, ich aber trotzdem an diesen „falschen“ geglaubt habe. Wenn ich das jetzt mal mit psychosomatischen Beschwerden und Ängsten in Verbindung bringe, bedeutet dass z.B. ich habe Todesangst, weiß, dass diese unrealistisch ist, ich denke aber trotzdem weiterhin, dass ich in Lebensgefahr bin. Genau das habe ich zumindest bei mir auch beobachtet. Vielleicht sollte man diesen Mechanismus auch mit kognitiven Verzerrungen in Verbindung bringen.

Aus der Erfahrung heraus würde ich auch sagen, dass es bei psychosomatischen Symptomen zwei verschiedene Arten von Ängsten gibt, so wie ich das bei Angst und Panik beschrieben habe.

Ein Außenstehender relativiert solche Situationen, weil aus seiner (der medizinischen) Sicht, die Situation nicht gefährlich ist. Im Prinzip ist es für die Person die die Herzstolperer hat, genau so, als wäre sie tatsächlich in Lebensgefahr. Entsprechend sollte ein Außenstehender, aber auch man selbst, nicht relativieren, wie belastend die Problematik ist. Wenn ich denke, ich sterbe, ist es vom Erleben her das selbe, als wenn ich tatsächlich in diesem Moment in Lebensgefahr wäre.

Außerdem muss ich, um die Erlebnisse dabei zu bewerten, den Zeitpunkt betrachten, in dem ich z.B. die Ängste habe, und an dem ich noch nichts über die Zukunft weiß. Ich weiß nicht, wie stark die Symptome, die mir Angst machen, werden. Im Nachhinein habe ich viel mehr Informationen, was geschehen ist und damit bewerte ich die Erlebnisse auch falsch. Wenn ich zu einem bestimmte Zeitpunkt wüsste, dass die Symptome in kurzer Zeit wieder vorbei sind oder weniger schlimm werden, wäre das eine ganz andere Art des Erlebens. Ich habe einen (gefühlten) Herzstolperer, mir „schießt“ automatisch die Angst durch den Körper, und ich überlege mir (automatisch) in dem Moment, ob es der einzige war, oder ob noch weitere kommen. Kommen noch weitere, kommen als nächstes Gedanken, wie lange die Symptome anhalten werden und ob die Symptome nicht doch lebensbedrohlich werden können. Einen Herzstolperer kann man schnell wieder vergessen. Man muss dann eben nur noch warten, bis die damit verbundenen körperlichen Reaktionen wieder vergangen sind. Dauern die Symptome länger an (ich hatte dabei kein Zeitgefühl mehr), dauert es entsprechend auch länger, bis man nicht mehr daran denkt.

Diese „subjektive Realität“ lässt sich aber auch übergeordnet beeinflussen. Starker Stress kann dazu führen, dass ich an bestimmte Dinge fest glaube und umgedreht, genau so wie mangelnde soziale Kontakte eine negativere Sichtweise herbeiführen können, Bewegung kann nach kurzer Zeit einen positiven Einfluss haben, Tabletten können dazu führen, dass die Sichtweise weniger katastrophierend wird, u.s.w..

  1. Den Absatz hab ich aus dem Artikel über 🡵 psychosomatische Beschwerden mal hier rein kopiert, weil er eben zu diesem Thema mit passt.

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