Symptomatik und Erfahrungen

Themen:

Alltag

Seit dem das alles so schlimm geworden ist, ist die Atemnot ständiges Thema. Als es noch schlimmer war, war die Atemnot den ganzen Tag über so stark, dass sie mich zermürbt hat. Auch wenn die Gefühle nicht so stark sind wie bei den Anfällen, sie aber permanent zu spüren sind, kommt man an seine Grenzen. Hinzu kamen dann die schlimmen Phasen, die auch viele Stunden andauern konnten.

Es findet dabei ein starker Verdrängungsprozess statt, der mir sehr geholfen hat. Ich bin nur sehr selten aufgestanden und hatte Angst vor dem, was an dem Tag diesbezüglich kommen könnte. Ich hatte immer kaum Erinnerungen an den letzten Anfall. Ich hatte aber eben während der schlimmen Phasen viel dazu aufgeschrieben.

Hatte ich besonders starke Symptome war es wichtig, dass am nächsten Tag nicht noch so eine schlimme Phase auftrat. Ich hatte nach so einem Tag immer 2, 3 Tage gebraucht, in denen es zumindest nicht sehr schlimm war. Es gab aber auch Zeiten, in denen diese starken Anfälle 2 oder 3 Tage nacheinander auftraten. Ich weiß nicht, wie ich beschreiben soll, was ich dann erlebt habe. Ich hatte dann dann wohl auch Derealisationen, also Phasen in denen ich raus gehen wollte und draußen ein sehr beängstigendes Gefühl hatte, dass ich all das, was ich so wahrnehme nicht verstehe. Ich habe die Umgebung um mich herum gesehen und gehört, aber ich habe die Sinneswahrnehmungen irgendwie nicht verstanden. Ich hatte mich dann mit dem Fahrrad nur in der Umgebung aufgehalten, weil ich das Gefühl hatte, dass ich irgendwann auf dem Radweg stehen würde, aber nicht mehr wüsste, wie ich nach Hause komme, weil ich eben das was da um mich herum war, nicht verstand.

Das Leben stand in dieser Zeit natürlich still. Ich habe alle meine Ressourcen gebraucht, um die Symptomatik irgendwie zu ertragen und das nötigste im Alltag zu erledigen. Arbeiten, soziale Kontakte, einkaufen, Arztbesuche, Aktivitäten in der Umgebung usw. waren nicht bzw. nur mit starken Symptomen und entsprechenden Ängsten möglich. Auch die Suche nach Personen, die einen diesbezüglich weiterhelfen könnten, war kaum möglich.

Die schlimmste Phase dauerte etwa 1,5 Jahre, wobei ich in dieser Zeit eigentlich jeden Tag stärkere Atemnot und auch fast jeden Tag einen mehr oder weniger stark ausgeprägten „Anfall“ hatte.,

Aktivitäten

Ich habe versucht, mich den Gefühlen immer wieder zu stellen, weil ich dachte, dass sie dann besser werden. Ich denke, dass ich mich all dem immer wieder aussetzt habe, hat die Symptomatik noch verstärkt. Da die Problematik als Angststörung bezeichnet wurde, die man behandelt, in dem man sich ihnen stellt und ich von außen in meinem Handeln deswegen bestärkt wurde, habe ich z.B. versucht mich schrittweise mit dem Rad immer weiter von der Wohnung zu entfernen. Ich war natürlich die ganze Zeit auf dem Rad mit der Aufmerksamkeit bei der Atmung und hatte auch immer mal wieder entsprechende Gefühle. Aber es waren auch noch viel schlimmere Phasen dabei. Wenn ich unterwegs starke Atemnot bekommen habe, habe ich mit dem Rad angehalten, was getrunken, das Taschentuch genommen usw. und versucht, mich so zu verhalten, als hätte ich die Symptome in diesem Moment nicht. Ich habe beim fahren darauf geachtet, dass Puls und Geschwindigkeit nicht zu hoch waren. Irgendwann wurde die Angst und Symptomatik aber so stark, dass ich immer schneller gefahren bin. Das hatte ich dann nicht mehr unter Kontrolle. Ich hatte keine Angst vor dem Tod, es war der Gedanke mit dieser starken Atemnot noch 30 Minuten bis nach Hause fahren zu müssen und dass diese durch das Radfahren noch verstärkt werden wird. Um die Symptome zu mildern hilft aber nur sich zu entspannen, das Gegenteil als von dem, was man gerade macht. Sport und andere Aktivitäten machen es nur noch schlimmer.

Als ich das nächste Mal auf dem Rad waren natürlich die Erinnerungen daran wieder präsent. Aufgrund der vielen Male, in denen ich all das erlebt habe, und in denen ich nach Lösungsmöglichkeiten suchen „konnte“ und verschiedene Methoden ausprobieren konnte, ist die Strategie, mich dem immer wieder zu stellen, für mich die falsche Strategie.

Wenn ich mich auf das Fahrrad setze, hilft mir der Gedanke, dass wahrscheinlich nichts schlimmeres passieren wird nur, wenn das in den letzten Tagen und Wochen auch tatsächlich der Fall war. Ich glaube ja sonst nicht daran. Strategie muss also sein, sich auf das Rad zu setzen, und mehrheitlich (nicht immer) zumindest keine starken Symptome zu bekommen. Es muss also eine Abwägung stattfinden. Wie weit kann ich fahren, damit das der Fall ist? Habe ich dann ein Erfolgserlebnis, wirkt sich das dann positiv auf das nächste Mal aus, u.s.w. So kann ich dann schrittweise die Entfernung zur Wohnung vergrößern1.

(Dass ich Angst habe, Atemnot zu bekommen, ist etwas anderes als die Angst bei einer Angststörung. Natürlich habe ich Angst vor unerträglichen Gefühlen vor allem außerhalb der Wohnung. Die Atemnot wird auch durch diese Angst verstärkt. Zentraler Punkt ist aber dieses unerträgliche Gefühl. Ich lerne nichts positives, wenn ich mich diesen Gefühlen stelle. Bei einer Exposition lerne ich z.B., dass diese Todesangst die ich gerade erlebe, nicht berechtigt ist und irgendwann verbessert sich dann dadurch die Symptomatik. Sich diesen unerträglichen Gefühlen aber immer wieder zu stellen, verstärkt die Problematik noch.)

Einkaufen und Arztbesuche

Auch beim einkaufen oder Besuche beim Arzt etc. habe ich schon schlimmste Dinge erlebt. Auch das verstärkt sich, wenn man es immer wieder erlebt. Die Maske verstärkt leider die Symptomatik stark. Beim einkaufen lasse ich sie jetzt weg. Alles, wo ich die Maske brauche, habe ich auf ein Minimum reduziert. Ich schaue, dass ich nur einen entsprechenden Termin in der Woche habe, bei dem etwas passieren könnte. Mehrerer Termine, bei denen entsprechend starke Symptome auftreten, sind psychisch nicht verkraftbar.

Anfälle

Zusammengefasst fängt so eine schlimme Phase mit Atemnot an, die dann immer schlimmer wird, irgendwann kommen noch Erstickungsgefühle hinzu. Das einzige, was die Situation verbessern kann, ist sich zu entspannen (siehe Selbsthilfe). Nur kann man nicht stundenlang entspannen. Das heißt, ich habe den Druck, dass ich die Symptomatik innerhalb der ersten 1-2 Stunden zumindest stabilisieren muss, ansonsten habe ich gar keine „Werkzeuge“ mehr, um etwas zu tun. Diesen Druck darf ich mir aber natürlich nicht machen. Funktioniert das nicht, kommen irgendwann Verzweiflungsgefühle und mir ist wie zusammenbrechen (was immer das heißt). Ich muss aber den Verzweiflungsgefühlen entgegenwirken. Lasse ich diese Gefühle zu sehr zu, eskaliert die Situation noch mehr. Ich weiß, dass es dann sehr kritisch werden kann was das Thema Notruf wählen angeht, was ich unbedingt verhindern will. Das ganze kann dann viele Stunden gehen, es wird mal leicht bessern und dann wieder schlimmer, wobei ich die ganze Zeit liege. An Aufstehen ist dabei nicht zu denken. Jede kleinste Bewegung verschlimmert die Situation noch. Ich denke dann natürlich oft an den Notruf, mittlerweile kalkuliere ich mit ein, dass ich denke, ich werden den Notruf wählen und dass ich es aber nicht tun werde. Wenn ich z.B. nicht durchatmen konnte, ist der Drang groß, das atmen zu erzwingen. Das geht nicht und macht natürlich alles noch schlimmer. Also muss ich diesen Drang unterdrücken. Kommen dann noch Erstickungsgefühle hinzu, entsteht automatisch Panik. Man muss oder sollte es dann bei den nächsten Atemzügen schaffen, zu entspannen. Wenn ein Atemzug Erstickungsgefühle hervorruft, ist die natürliche und automatische Reaktion, noch einmal zu atmen. Das erzeugt dann aber wieder ein Erstickungsgefühl, so dass es dann zu Panik kommt. Auch der darf man nicht nachgeben. Wenn ich das tun würde, würde es sich im Prinzip kaum verhindern können, in die Notaufnahme zu kommen. All das kostet mental extrem viel Kraft, die man irgendwann eigentlich auch nicht mehr hat. Man muss sie aber haben. Als drittes kommt dann noch der Drang hinzu, vor all dem wegrennen zu wollen. Das geht nicht, was wiederum ein unerträgliches Gefühl erzeugt. Auch wenn (vertraute) Menschen dabei sind, sind die Einsamkeitsgefühle dabei sehr stark weil einen niemand die Gefühle erträglicher machen kann. Im Gegenteil – jeder Satz verschlimmert die Atemnot noch.
Zusammengefasst hat man es also mit 5 Arten von Gefühlen zu tun: Atemnot/Erstickungsgefühle, dem Gefühl zusammenzubrechen, dem Gefühl, gefangen zu sein und vor den Symptomen wegrennen zu wollen, und dem Gefühl das Atmen erzwinge zu wollen. Jedes Gefühl für sich müsste eigentlich akut gemildert werden. Hinzu kommt dann noch die Todesangst, die aber, wenn sie nicht extrem stark ist, weniger belastend ist, als die anderen Gefühle. Wohl aufgrund des enormen Stresses hatte ich dann noch (gefühlte) Herzstolperer, Stiche in der Herzgegend, Übelkeit, frieren, Kreislaufprobleme, die rechte Hand war sehr kalt, Geräusche im Bauch, Kribbeln im Gesicht, Stimmungseinbruch, Tinnitus, Druck auf den Ohren, Kopfschmerzen, Gefühl, als ob man einen Gürtel um den Oberkörper schnallt und fest zuzieht, Verspannungen, bis hin zu gefühlten Krämpfen im Bauch, Verspannungen oder stark angespanntes Gefühl im ganzen Körper, Verkrampfungen im Körper und gähnen oder niesen waren oft nicht möglich,

Der grundsätzliche Gedanke bei den Anfällen war immer, dass die Gefühle zwar nicht auszuhalten sind, ich muss sie aber aushalten. Es gibt nichts, was ich tun kann um die Situation zu verbessern. Ich kann weinen, schreien, in irgendeiner Form zusammenbrechen, irgendetwas. Es hilft mir nichts und macht die Situation dann noch schlimmer. Auch den Notruf zu wählen, führt zu keiner Verbesserung. Der damit verbundene Stress (Notaufnahme, usw.) würde die Dauer des Anfalls vielleicht sogar verlängern. Die einzige Alternative zum Aushalten wäre der Tod.

Während der Anfälle bin ich extrem verkrampft, die Oberarmmuskeln z.B. fühlen sich an, als würde ich etwas anheben. Hinzu kommen noch Bauchkrämpfe und das Gefühl, dass jemand einen einen Gürtel um die Brust schnallt. Entsprechend versuche ich die Muskeln zu entspannen. Auch das Entspannen ist eigentlich das Gegenteil von dem, was man in der Situation tun möchte und kostet viel Kraft. Durch den enormen Stress kommen dann noch gefühlte Herzstolperer, Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen, Übelkeit und andere Dinge hinzu. Allerdings ist der Puls so hoch wie sonst auch, wenn ich liege2.

Es macht auch einen Unterschied, wann die Anfälle kommen. Am schlimmsten ist es, wenn sie gleich früh geschehen. Früh hat man weniger Möglichkeiten, all dem etwas entgegenzusetzen. Ich kann früh nach dem Aufstehen nicht schon wieder versuchen zu entspannen. Außerdem ist es mental extrem belastend, wenn all das schon früh wieder losgeht. Je später es wird, um so mehr hilft der Gedanke, dass ich irgendwie noch bis zum Schlaf durchhalten muss. In den allermeisten Fällen hat der Schlaf den Anfall dann beendet. Es war nur sehr selten auch in der Nacht oder am nächsten Tag weiterhin schlimm.

Notaufnahme

Ich war 2 Mal in der Notaufnahme, wobei ich beim ersten mal 3 Tage im Krankenhaus war, um alles abklären zu lassen.

Die Erlebnisse beim zweiten Mal waren sehr belastend für mich und haben mich in der Zeit danach entsprechend beeinflusst. Ich möchte hier aber keine Personen bewerten. Ich finde, man sollte das trennen. Ein Ereignis ist belastend für mich und damit bewerte ich es negativ. Ich darf aber diese negative Bewertung nicht auf eine daran beteiligte Person projizieren.

An dem Tag im September wurde die Atemnot immer schlimmer irgendwann kamen dann Erstickungsgefühle hinzu. Ich habe versucht, das so lange wie möglich durchzuhalten, wohl bedingt durch den Stress hatte ich dann aber auch noch gefühlter „Herzstolperer“. Ich hatte noch versucht, die Symptome bessern, ich habe das Fenster aufgemacht und verzweifelt nach Luft geschnappt, u.s.w. Irgendwann kommt in so einer Situation dann ein Automatismus. Ich wollte den Notruf nicht wählen, hatte das aber nicht mehr unter Kontrolle und habe angerufen. Als ich im Krankenwagen war, hab ich den Ärzten/Sanitätern auch den Arztbericht von meinem letzten Krankenhausaufenthalt vorgelegt. Vielleicht war das ein Fehler. Meine Befinden wurde dann nicht mehr so ernst genommen und ich wurde gefragt, warum ich nicht die Bereitschaft (auf die man oft ja stundenlang warten muss) angerufen habe. In der Notaufnahme selbst lag ich dann 4 Stunden allein in einem Raum. Außerdem dauert es etwa 1 Stunde, bis das Ergebnis vom PCR – Test vorliegt und so glücklich sind die Angestellten in der heutigen Zeit dort auch nicht, wenn da einer mit Atemnot eingeliefert wird. Ich war an einen entsprechenden Apparat angestöpselt, die Vitalwerte waren alle in Ordnung, und so lag ich da erst mal eine Zeitlang und bin innerlich zusammengebrochen weil ich eben die Erstickungsgefühle nicht mehr ausgehalten habe. Diese Gefühle des Zusammenbrechens hält man aber eigentlich auch nicht aus. Man hat in so einer Situation also mit zwei unerträglichen Gefühlen zu kämpfen – ersticken und zusammenbrechen. Das ganze ist unerträglich und es gibt nichts was man in diesem Moment tun kann, dass dabei Gedanken kommen, die man eigentlich nicht haben will, kann ein Außenstehender wahrscheinlich nachvollziehen. Dazu kommt noch, dass ich irgendwann auch nicht mehr liegen konnte, aber natürlich nicht aufstehen konnte. Als die Ergebnisse vom Bluttest eingetroffen sind, kam die Ärztin, und nach einem kurzen Gespräch bin ich dann wieder nach Hause gelaufen. Im Prinzip bin ich so, wie ich in die Notaufnahme gekommen bin, auch wieder raus. Ich hatte weiterhin starke Atemnot und hätte zu Hause eigentlich noch einmal den Notruf wählen müssen. Dieses Erlebnis hat mir gezeigt, dass ich es unbedingt verhindern muss, noch einmal den Notruf zu wählen. Deswegen habe ich in solchen Situationen vor allem vor diesem Automatismus Angst, dass ich „unkontrolliert“ den Notruf wähle. Es hilft mir ja nicht. Dort kann auch nichts gegen die Symptome getan werden und dieses ganze Prozedere mit Krankenwagen und Notaufnahme und dann nicht zu wissen, ob man dort bleiben muss ist enormer Stress, der sich ja auch negativ auf die Atemnot auswirkt. Dass da Ärzte sind, die im Notfall etwas unternehmen könnten, beruhigt mich nicht. Es wurde ja keine Ursache gefunden.

Folgen

Dieser extreme Stress führt natürlich zu weiteren körperlichen Reaktionen, wie kardiologischen Problemen, Kreislaufproblemen usw. Hinzu kommen kognitive Probleme, die Belastbarkeit und Resilenz im Alltag ist stark eingeschränkt (dadurch ist dann auch die Möglichkeit, sich Unterstützung zu holen stark eingeschränkt). Die Erlebnisse in dieser starke Ausprägung können auch den Charakter verändern und können ,dazu führen, dass angenehme Gefühle nicht mehr spürbar sind. Hinzu kommt natürlich, dass die Symptomatik einen im Alltag sehr stark einschränkt. Ich denke,die Auswirkungen können auch noch schlimmer werden.

Weitere Entwicklung

Mittlerweile (November 2022) hat sich das Befinden verbessert. Da die Probleme aber jetzt schon 1,5 Jahre andauern, ist schon z.B. leichte Atemnot stark belastend. Ich weiß wie schlimm so etwas werden kann und habe auch bei leichten Symptomen schon entsprechende Ängste. Ich habe auch weiterhin bei Terminen starke Probleme und der Aktionsradius um die Wohnung herum ist noch sehr gering. Ich weiß aus der Erfahrung auch, dass es auch wieder schlimmer werden kann.

Egal wie rational man denkt, wenn es für einen selbst um sehr viel geht, wird man doch auch etwas abergläubisch :-). Jetzt, Mitte März 2023, habe ich das Gefühl, dass ich weitere Fortschritte gemacht habe. Ich will aber darüber erst schreiben, wenn ich mir sicher bin, dass dieser Zustand länger anhält.

  1. Natürlich muss man sich der Gefahr aussetzen. Man kann nicht zu Hause sitzen und gedanklich simulieren, dass nicht passiert. Man muss es erleben. Es geht darum, bei der jeweiligen Aktivität Erfolge zu haben.
  2. Bei einer Angststörung ist der Puls eigentlich eher erhöht. Auch der Blutdruck ist ganz normal.

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